59. Hörspielpreis der Kriegsblinden

Thilo Reffert für "Die Sicherheit einer geschlossenen Fahrgastzelle" ausgezeichnet

Red.

Thilo Reffert - Foto © Thilo Reffert
59. Hörspielpreis
der Kriegsblinden
geht an Thilo Reffert
 
Bund der Kriegsblinden e.V. und
Filmstiftung NRW verleihen zum 59. Mal
die renommierte Auszeichnung
 

F
ür sein Hörspiel "Die Sicherheit einer geschlossenen Fahrgastzelle" erhält Thilo Reffert den diesjährigen Hörspielpreis der Kriegsblinden/Preis für Radio­kunst. Der Hörspielpreis der Kriegsblinden, der zu den renommiertesten Auszeichnun­gen für Hörspielautoren zählt, wird gemeinsam vom Bund der Kriegsblinden Deutschlands e.V. und der Filmstiftung Nordrhein-Westfalen getragen. Mit dem Preis wird jähr­lich ein von einem deutschsprachigen Sender konzipiertes und produzier­tes Hörspiel ausgezeichnet, das "in herausragender Weise die Möglichkeiten der Kunst­form reali­siert und erweitert".
 
Das Hörspiel "Die Sicherheit einer geschlossenen Fahrgastzelle" ist eine Produk­tion des MDR. Sie wurde am 9. November 2009 anläßlich des 20. Jahrestages des Mau­erfalls urgesendet.
Am 2. und 3. März tagte die Jury in Halle (Saale). Nachdem sie in den letzten drei Jah­ren in der Schweiz, bei Radio Bremen und in Köln zu Gast war, fand die Jurysitzung in diesem Jahr beim MDR statt. Der Hörspielpreis der Kriegsblinden wird am 7. Juni in Bonn verliehen.
 
Entschließung der Jury:
 
"Thilo Reffert ist es gelungen, mit scheinbar leichter Hand, mit Witz und einem hinrei­ßend verspielten O-Ton-Einsatz, ein zentrales Thema der deutschen Geschichte neu zu erzählen: Die Ereignisse am 9. November 1989. Die Jury war davon angetan, daß nach einem Jahr medialer Dauer-Anwesenheit dieses Themas in Refferts Hörspiel ein neuer überraschender Zugang gelang.
Thilo Reffert erzählt die Geschichte seiner Mutter und Schwester, die am Abend des 9. November in einem Wartburg um 21:15 über die Grenze der DDR in den Westen fuh­ren, und zwar am Übergang Marienborn, wo "der eiserne Vorhang im Dunkel über Kartoffeln und Zuckerrüben hing". Um diese Uhrzeit war in Berlin die Mauer noch zu und der Bundestag in Bonn debattierte über Sportförderung.  Das Stück ist ein kleines Denkmal für zwei Frauen, die gezeigt haben, daß Geschichte sich nicht ereignet, son­dern daß man sie gestalten kann.
Reffert erzählt diese Geschichte, indem er 20 Jahre später mit Mutter und Schwester dieselbe Strecke noch einmal fährt. So schafft er im Stück mehrere Ebenen. Zum Geschehen von damals kommt der Versuch der heutigen Wiederholung, der die Erfah­rung von 20 Jahren, die Veränderungen und die Reflexion darüber einschließt. Eine weitere Ebene entsteht, indem Reffert  die öffentlichen O-Töne aus TV, Radio und der Bundestagssitzung mit gekonnter Schnitt-Technik in einen Dialog mit den privaten Berichten bringt und so die "Schnittstelle von Küchenschrank und Weltgeschichte" trifft.
Matthias Matschke spricht Refferts Text mit trockenem Humor und ohne Pathos. So gibt das Stück einen Maßstab für eine andere Gedenk-Kultur."
 
Zum diesjährigen Preisträger:
Thilo Reffert wurde 1970 in Magdeburg geboren. Er studierte Theaterwissenschaft und Neuere Deutsche Literatur in Berlin. Nach einer Hospitanz am Berliner Ensemble arbei­tete er als Dramaturg und Theaterpädagoge am Landestheater Neustrelitz und am Staatstheater Schwerin. Seit 2000 schreibt Thilo Reffert Theaterstücke, sein Hörspiel-Debüt "Hellas Sonntag"  wurde 2002 vom MDR gesendet. Auch "Die Sicherheit einer geschlossenen Fahrgastzelle" entstand in Zusammenarbeit mit dem MDR.
 
In diesen Tagen veröffentlicht Thilo Reffert sein erstes Kinderbuch "Nina und Paul", das der Autor auf der Leipziger Buchmesse vorstellt. Das nächste Hörspiel "Australien, ich komme. Ein Hörspiel für Kinder", wird an Ostern auf DLR zu hören sein.
 
Der Jury, unter Vorsitz der Autorin Anna Dünnebier, gehören jeweils sieben Kriegs­blinde und sieben Fachkritiker sowie fünf von der Filmstiftung NRW berufene Juroren aus dem Kulturbereich an. Preisträger der vergangenen Jahre waren u. a. Rimini Proto­koll (Helgard Haug & Daniel Wetzel), Michaela Melián, Stefan Weigl, Elfriede Jelinek, Christoph Schlingensief, Andreas Ammer & FM Einheit, Walter Filz oder Inge Kurtz & Jürgen Geers.
Im letzten Jahr erhielt "Ruhe 1" von Paul Plamper den Hörspielpreis.

Redaktion: Frank Becker