Das Ultental (2)

Aus der Geschichte des Jauntals und der "Steinrast"

von Elisa Kuppelwieser und Frank Becker

Elisa Kuppelwieser - Foto © Frank Becker
Ultental (2)
 
Aus der Geschichte des Jauntals,
des Arzker-Stausees und der "Steinrast"


Schauen wir einmal zurück in die Geschichte des Jauntals und der Steinrast. Elisa Kuppelwieser hat uns einiges dazu aufgeschrieben und ihrem Großvater Fragen zu den Anfängen und dem zwischenzeitlichen Aus gestellt. Es ist eine spannende Geschichte von Pioniergeist, Mut und Ideenreichtum, mit Katastrophen und dem Willen zum Durchhalten, der schließlich zum erneuten Erfolg geführt hat. Lassen wir also Elisa erzählen:
 
» Die Geschichte spielt sich im "letzten Tal" von Südtirol ab. La "Valle d´Ultimo"- Ultental bedeutet auf italienisch das "letzte Tal", denn so haben es die Italiener genannt, nachdem ihnen das 1918 annektierte Südtirol in Anschluß an den 1. Weltkrieg zugeschlagen wurde. Es handelt sich um die bewegende Geschichte von der kleinen Jausenstation, dem Berggasthaus „Steinrast“.
 
In den 60er Jahren begann man nach alten Plänen im gesamten Ultental Seen aufzustauen, um die

Die Arbeiterbaracken im Jahr 1965 - Foto © Steinrast/Mairhofer
Wasserkraft des Tales zur Stromerzeugung zu nutzen. Das Ultental war sehr begünstigt, weil es bis heute das wasserreichste Tal in Südtirol ist. 1963 begann man mit dem Bau des Arzkerstausees oberhalb von Kuppelwies auf 2.250 m Meereshöhe, am Fuße des bekannten 3000ers Hasenohr. 
Meinem Opa Mairhofer Johann kam die Idee, unterhalb vom Stausee, dort wo mehr als 300 Arbeiter der italienischen Firmen "Italstrada" und "Puglio" in ihren Baracken nächtigten, zu deren Versorgung und Feierabendvergnügen eine Bar oder eher eine Art Kantine zu errichten.
1965 war es soweit: die "Steinrast" wurde als Bar mit Jukebox und echter Bohnenkaffeemaschine eröffnet. Meine Oma Schwienbacher Elisabeth bekochte die italienischen Arbeiter schon damals mit herzhaften Südtiroler Gerichten, wie wir es heute für Wanderer und Touristen tun. Ein Foto von damals

1967: Simele Thres zu Gast (2. v.l.)
aus unserem Familienalbum zeigt die Simele Thres (mit Kopftuch) im Kreise einheimischer Besucher auf der Steinrast. Im November 2010 ist sie mit 111 Jahren als älteste Südtirolerin gestorben. Man sieht also, es ist was dran an dem Nutzen der guten Luft, des guten Wassers und der gesunden Lebensweise im Ultental.
 
Zusammen mit Ihren beiden Töchtern Waltraud und Brunhilde (meine Mutter) lebte die kleine Familie das ganze Jahr über auf der Steinrast auf über 1700 m Höhe. Die Geschäfte liefen gut, obwohl Tourismus noch ein Fremdwort war im gottverlassenen Ultental. Der Neid auf den Erfolg der Mühen brachte irgendwann wohl Nachbarn dazu, ebenfalls bei der Gemeinde eine Lizenz zu beantragen. Aber da schon mein Opa eine Betriebslizenz im Jauntal (so heißt das Tal von Kuppelwies bis zum Arzker Stausee) hatte, durfte keine weiteren mehr ausgestellt werden.

Die Emotionen kochten wohl sehr hoch, und 1980 schließlich krachte es deshalb auf der Steinrast. Im November, während der Beerdigung meiner Uroma Gertraud Mairhofer, zu der die ganze Familie gegangen war und das Haus deshalb leer stand, fiel die Steinrast dem Vandalismus der Neider zum Opfer. Alles, aber wirklich alles wurde kurz und klein geschlagen, sogar das Waschbecken war mit einem großen Stein zertrümmert worden. Kein Stuhl war mehr heil, kein Teller war noch ganz. Überall Scherben und zersplittertes Holz. Meinem Opa bot sich, als er von der Beerdigung nach Hause kam, ein schauriger Anblick.
 
Opa und Oma hätten damals den Betrieb aufgegeben, weil sie zu diesem Zeitpunkt einfach nicht

Das war 1986, nach dem Neuanfang 
mehr die nötige Kraft hatten, wieder von vorne anzufangen. Meine Mutter war damals erst 17 Jahre alt. Ihr Herz hing sehr am Betrieb, aber mit 17 war sie noch zu jung, um die Steinrast zu übernehmen.
Die Gemeinde Ulten bot meinem Opa an, die Betriebslizenz fünf Jahre stilllegen zu lassen, ohne sie zu verlieren. In den 70er Jahren hielt dann der Fremdenverkehr Schritt für Schritt Einzug im Ultental. Und 1985 war es dann so weit: meine Mutter Brunhilde Mairhofer übernahm mit 22 Jahren die Steinrast. Ihr damaliger Freund und heutiger Mann, mein Papa Karl Kuppelwieser, war damals Zimmermann und er hat die Gaststätte aus eigener Kraft und ohne Hilfe notdürftig renoviert.
 
1988 bin ich Kuppelwieser Elisa geboren. Ich liebe das Haus und ich arbeitete von klein auf in der Steinrast mit. Jahre später habe ich mit Erfolg die Hotelfachschule in Meran besucht (fünf Jahre Hotelfachschule „Kaiserhof“ in Meran, Matura 2008 mit drei Diplomen: Restaurantfachfrau diplomierte Köchin, Hotelkauffrau). Seit 10 Jahren haben wir nun auch im Winter geöffnet und seit dem Jahr 2000 haben wir die Steinrast mit Naturholz neu verkleidet. Wir bekochen unsere Gäste mit den typischen

Brunhilde und Elisa, Herrinnen der Steinrast - Foto © Becker
Südtiroler Schmankerl, die bei uns Tradition sind, sowie mit feinen Kräuter-Gerichten wie Brennnesselteigtaschen mit Kürbisfülle oder Kräuterknödel mit Ricotta- Sauce, Heusuppe... u.v.a.m.
Jeder der einmal bei uns war, spürt welche Liebe in dem Haus steckt. Und meinen Vorfahren sei Dank, daß die Steinrast als Familienbetrieb seit dem Beginn 1965 erhalten blieb.

Wir wissen heute übrigens, wer die Steinrast damals zerstört hat und warum. Es ging ja wie gesagt um die meinen Großeltern mißgönnte Betriebslizenz. Ein Bauer, der ebenfalls auf der Steinrast ein kleines Grundstück hat, wollte auch eine Bar aufmachen. Der Bauer dachte, wenn er alles kurz und klein schlägt, hört mein Opa auf, gibt die Lizenz ab und er kann dann seine Bar eröffnen. Heute kommen die Nachkommen dieses Bauern oft zu uns. Sie sind sehr nett und freundlich. Die Situation hat sich entspannt.
 
Im Winter verwandelt sich die Steinrast zum idyllischen Schneeschuhwanderparadies mit gespurten Loipen (die ich lege). Neben dem Schneeschuhverleih für Alleinwanderer bieten wir auch geführte

Brettl-Jause - Foto © Frank Becker
Schneeschuhwanderungen für jedermann und für unterschiedliche Ansprüche an. Zu dieser Zeit findet wöchentlich am Dienstag um 15.00 Uhr eine geführte Schneeschuhwanderung mit anschließender Hüttengaudi und Ziehharmonika-Musik und dem Schellenbaum statt. Jeden Donnerstag gibt es eine Nachtschneeschuhwanderung. Wir stellen allen Wanderfreunden Schneeschuhe, Stirnlampe und Stöcke zur Verfügung. Auf „Bärentatzen“ unterwegs erkunden wir die verschneite Winterwelt des Ultentals unterm wunderschönen Sternenhimmel!
 
In unsere Gaststube passen ca. 40 Personen, wenn nötig bauen wir auch noch einen zusätzlichen Nottisch auf und können dann ca. 50 Personen unterbringen. Im Sommer haben wir im Freien auch viele Tische und können bis zu 100 Gäste bekochen.
Auch Prominente durften wir gelegentlich bewirten: Christian Clerici schwärmte schon für unseren Kaiserschmarrn aus der Pfanne. Der Sternekoch Herbert Hintner war mit seiner Familie bei uns zu Gast und hat unsere Küche gelobt. Das Ski- Ass des ÖSV- Teams Christoph Gruber war jüngst im Februar 2010 bei uns zu Gast. Und auch der Sternekoch und Buchautor Heinrich Gasteiger hat auch öfters schon bei uns gespeist. Armin Zöggeler, Südtiroler Rodellegende, trainiert auf der Rodelbahn "Moscha" gegenüber von der Steinrast und besucht uns des öfteren.


Wildkräuterknödel auf Ricotta-Tomatensauce - Foto und Rezept © Elisa Kuppelwieser
 
Im Dachgeschoß haben wir haben ein kleines Matratzenlager, welches wir normalerweise nicht vermieten, aber als Notlager hat es öfters schon gut gedient. Wer die Berge ein wenig kennt, weiß, daß die Wetter blitzschnell umschlagen und man gut beraten ist, dann nicht die Auseinandersetzung mit der Natur zu suchen.«


Lesen Sie morgen weiter, denn da kommt im dritten Teil unserer Reise ins Ultental der Gründer der "Steinrast", Elisa Kuppelwiesers Großvater Johann Mairhofer zur spannenden Geschichte der Jausenstation als Zeitzeuge selbst zu Wort.

Redaktion: Frank Becker