Musikstunde

Ludwig van Beethoven (1)

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Konrad Beikircher
Musikstunde

Über Ludwig van Beethoven (1)


 
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Musenblätter-Leser
 
wo ich Sie jrade ,Beethoven' sagen höre: heute, so unmittelbar nach Ostern, wo Sie sich hoffentlich Ruhe und vielleicht ein kleines Konzertchen gegönnt haben, möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Handschrift der Diabelli-Variationen lenken, sie Ihnen ein Stückchen näher bringen.

Und ich möchte Ihnen ein bißchen was über Ludwig van Beethoven erzählen, und zwar mehr über die menschlichen Seiten: wie das denn so mit dem Essen und Trinken war bei ihm und wie kreativ er bei der Vermarktung seiner Werke war. Dazu möchte ich Ihnen wat später natürlich etwas über die besagten Diabelli-Variationen erzählen, also über die „33 Veränderungen über einen Walzer von Anton Diabelli op. 120“, wie sie wirklich heißen und darüber, was der kleine Ludwig in Bonn als kleiner Lausbub alles so getrieben hat. Womit wir schon mitten beim Thema wären: was für ein Esser war Ludwig und wo würden wir ihn treffen, lebte er heute? Er wäre ja ein Promi und die Lifestyle-Magazine rissen sich darum, über ihn zu berichten. Aber: sie hätten es schwer mit ihm, denn man kann unserem Ludwig viel nachsagen, nur eines war er sicher nicht: auf Medien aus. Zu diesem Thema kann man sagen: das Gen für Mediengeilheit, das heute so selbstverständlich auftritt und jedem unterstellt wird, das hatte er ganz bestimmt nicht. Solche Möglichkeiten hätte es damals ja auch gegeben und er hat sie nicht genutzt. Er hätte das Fehlen dieses Gens bei sich wahrscheinlich gar nicht als etwas Besonderes gesehen, er hätte wahrscheinlich dazu nur gesagt: „Medien? Han ich kein Zick für“ und hätte den Hörer aufgelegt, pardon, das Hörrohr. Äh. Nein, diese Seite meine ich nicht. Die Medien hätten es schwer gehabt mit ihm, weil: worüber hätten sie denn berichten können? Daß er schon mal im Lila Frack durch Wien läuft? Da gab Nietzsche schon mehr her, als er vor dem Hauptbahnhof Turin den Zossen der Kutsche sodomisierte, die ihn ins Hotel brachte. Da hätte der Express wahrscheinlich getitelt: „Schnäuzer-Philosoph aktiv für Artenvielfalt“.

Und die paar Nächte, die Beethoven in professionellen Armen verbrachte – und auch das weiß man nicht wirklich ganz genau – hätte der Express noch nicht mal als Kleininserat veröffentlicht. Das hätte doch höchstens zur Schlagzeile: „Beethoven – Muse im Malkasten?“ gereicht, dafür kauft doch keiner den Express! Und daß er mit Wasser, das er sich nachts övver der Kopp geschüttet hat, damit er wach weiter komponieren konnte, sehr freigiebig umging, dergestalt, daß es auch noch für die Mieter unter ihm reichte - einer der Gründe für die häufigen Wohnungswechsel - , mein Gott, das ist doch erst recht keine Schlagzeile, höchstens: „Schicksalssymphonie als Wassermusik? Wie Beethoven sich und seine Nachbarn fit hält!“. Nee, nee, Herrschaften, da ist wirklich nix, was die Medien ihrerseits auf Beethoven hätte geil machen können. Auch für die berühmten Lieblings-Blitzumfragen so nach dem Motto: Lieblingsrestaurant, Lieblingsessen, Lieblings-Musik, Lieblings-Disko etc. pp. - alles Fehlanzeige bei Beethoven. In all diesen Bereichen war unser Meister so wat von stinknormal, so was von ohne Medien-Appeal, als das ist ja schon gar nicht mehr wahr. Er war kein Puccini, wo man nur sagen kann: Autos! Frauen! Feinschmeckerei! Na gut, Diabetes auch, aber irgendwo muß das ja alles hin.
 
Er war auch kein Rossini, der schon gar nicht: Rossini, das Genie mit der trillernden Zunge, der Meister der al-dente-Arien, der eigentlich immer schon begnadeter Feinschmecker war, egal, was er komponiert hat: Musik oder Rezepte. Nee, Beethoven war da - ich sage es ungern aber es ist wirklich die Wahrheit - Beethoven war in dieser Hinsicht absoluter Rheinländer. Der Rheinländer ißt, um satt zu werden und trinkt, damit er diese Trostlosigkeit aushält. Wir wissen: die Qualitäten des Rheinländers liegen auf anderen Ebenen. Und so war das auch bei Beethoven. Beethoven war ein eher schlichter, einfacher Esser. Brotsuppe war eine seiner Lieblingsspeisen, mit Fisch (insbesondere Hecht) und Wild konnte man ihn auch locken, und er starb für Makkaroni mit Parmesan. Hätte es damals schon Miracoli gegeben, er hätte sich viel Ärger mit seinen Köchinnen und Haushälterinnen ersparen können, weil sicher sogar er sie sich hätte zubereiten können. Jeden Tag! So hat er leiden müssen, immer wieder leiden müssen unter dem Zeug, was ihm die Haushälterinnen zusammengekocht haben.
 
Und natürlich versuchte er, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen: um den ständigen Neckereien seiner Freunde ein Ende zu bereiten - er sei es ja selber schuld, wenn er so schlecht bekocht werde, lerne er endlich kochen, dann könne er selbst für Abhilfe sorgen etc. pp. - lud er die ganze Mischpoke zu einem Abend Chez Ludwig ein, an dem er sie bekochen werde. Ignaz von Seyfried, der seit 1803 zu den Freunden gehörte, berichtet von diesem legendären Abend folgendes, ich darf zitieren:
„Den Geladenen blieb nichts übrig, als in Erwartung der Dinge, die da kommen sollten, sich pünktlich einzustellen. Sie trafen ihren Wirth im Nachtjäckchen, das struppige Haupt mit einer stattlichen Schlafmütze bedeckt, die Lenden umgürtet mit einer blauen Küchenschürze, am Herde vollauf beschäftigt.
Nach einer Geduldprobe von mehr denn anderthalb Stunden, nachdem der Mägen ungestüme Forderungen kaum mehr durch cordiale Zwiegespräche beschwichtigt werden konnten, wurde endlich servirt. Die Suppe gemahnte an den in Gasthöfen der Bettlerzunft mild gespendeten Abhub; das Rindfleisch war kaum zur Hälfte gargekocht und für eine Straussennatur berechnet; das Gemüse schwamm gemeinschaftlich im Wasser und Fett und der Braten schien im Schornstein geräuchert. Nichts destoweniger sprach der Festgeber allen Schüsseln tüchtig zu, gerieth durch den zu erwartenden Beifall in einen so rosenfarbenen Humor, daß er sich selbst nach einer Person in der Burleske „das lustige Beilager“ den Koch Mehlschöberl titulierte, und suchte sowohl durch das eigene Beispiel, als durch unmässiges Anpreisen der vorhandenen Leckerbissen seine saumseligen Gäste zu animieren. Diese jedoch vermochten kaum nothdürftig einige Brocken hinabzuwürgen, betheuerten, bereits übersatt zu sein und hielten sich an ein gesundes Brot, frisches Obst, süßes Backwerk und unverfälschten Rebensaft. Glücklicherweise ennuyirte bald nach diesem denkwürdigen Gastgebot den Meister der Töne das Küchenregiment. Freiwillig legte er das Szepter nieder.“
 
Immerhin: gemerkt hat er es dann schon, daß er da ein bißchen an der Wirklichkeit vorbei agiert hat, ein paar Mal hat er noch als Mehlschöberl unterschrieben und das wars denn auch mit den Ausflügen in die Küche. Er hat großzügig kochen lassen, wenn Freunde kamen, allein hat er lieber im Gasthaus gegessen. Kontrolliert hat er aber immer, was die Köchinnen so treiben und bei den Eiern war er ganz besonders pingelig: jeden Dienstag gab es Brotsuppe. Dazu ließ er sich 10 frische Eier servieren. 10!!! Das waren noch Zeiten, oder?!
Nun köpfte er die Eier, bevor er sie in die Suppe rührte und roch an ihnen, um zu sehen, wie frisch sie waren. Und wehe, wenn da dieser Strohgeruch war (die Älteren unter uns wissen, was damit gemeint ist; wer mit Aldi-Eiern aufgewachsen ist, dem ist da nicht mehr zu helfen!), dann war es aus: Köchin rufen, wüst beschimpfen (und in ‚Beschimpfen’ war er mindestens so gut wie in Komponieren!) und - als finale Steigerung - ihr die Eier in den Rücken werfen. Normal! Wie gesagt: Brotsuppe, Fisch, Wild, Geflügel fand er auch ganz angenehm, am liebsten aß er - wie sein Vater Johann - Krammetsvögel, Wacholderdrosseln.
 
Einmal haben sie übrigens dem Johann in Bonn janz bös mitgespielt, die Kollegen Hof-Musikanten: da haben sie ihm, als er in die Wirtschaft kam, gesagt, es sei noch eine Portion Krammetsvögel übrig, das war das Lieblingsgericht vom aale Johann.
Er natürlich direkt: „Kumme losse“ jesaat und macht sich über dat leckere Essen her. Da fingen die alle an zu lachen und haben ihm gesagt, dat dat kei Krammetsvögel wore sondern Katze (oder Ratte, da sind sich die Forscher noch nicht einig). Also ich möchte mal sagen: derbe Scherze, die man mit dem Vater eines so großen Komponisten nicht treiben darf. Oder vielleicht war das gar kein Scherz sondern die saßen beim Chinesen, wer weiß. Jot.
Also: wie gesagt: eher einfache Küche, den Lifestyle-Magazinen hätte er nicht viel sagen können, kein Gold auf dem Reis, kein Felsquellwasser aus Norwegen, 3,7 Millionen Jahre alt, kein Ochsenhoden auf Schnee von Zucchiniblüten an Mandel-Trüffel-Schaum in primae-noctis-Jus à la Bully, nein, das hätten wir alles nicht gehabt bei ihm. Er hätte der Bunten wie Harald Schmidt gesagt: Curry-Wurst wär schön und ansonsten Kalbsbraten und Fisch.
 
Fisch übrigens, liebe Leser, hat ihn auch über den Tod hinaus begleitet: ein Passivposten - der einzige, der mit Essen zu tun hat - unter den Hinterlassenschaftspapieren ist eine nach Ludwigs Tod bezahlte Fischrechnung. Da steht:
„Der Fischhändlerin Theresia Ernest für dem Herrn Erblasser gelieferte Fische laut Quittung bezahlt: 2 Florin 11 Kreuzer“.
 
Und Diabelli? Dat hätt ich jetzt fast verjessen. Do kumme mer en dr nächse Woch oder noch jet später dran. Wo dat doch so herrliche Klatschjeschichten über Ludwig van ze verzälle jibt.
 
Bis dahin also mit ergebenen Grüßen
Ihr
Konrad Beikircher


© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2010
Redaktion: Frank Becker