Traut keiner Bank!

Kristof Magnusson - "Das war ich nicht"

von Jürgen Kasten
Geld, Literatur und Liebe

Kristof Magnusson - "Das war ich nicht"
 
…; aber natürlich warst Du das, Jasper Lüdemann. Jasper hat trotz seiner jungen Jahre schon einiges hinter sich: aufgewachsen in Sprockhövel bei Bochum, wie er immer betont, weil – Sprockhövel kennt ja niemand. WG und Studium in Bochum, weiter nach Chicago, dann nach London und jetzt ist er nach zwei Jahren Schulung wieder zurück in Chicago. Zurück an seinem Arbeitsplatz bei „Rutherford & Gold“, der größten Privatbank Amerikas. Das „Gold“ im Banknamen soll durchaus Assoziationen wecken, denn Magnussons Geschichte erklärt uns das zwangsläufige Scheitern der Banker und die aktuelle Finanzkrise. Im riesigen Händlersaal, dem abgesicherten Bereich der Bank, ist Jaspers Platz leicht zu erkennen. Am Computer klebt eine Schalke-Fahne und auf dem Namensschild steht Ludemann. Die Amerikaner haben Schwierigkeiten mit dem „ü“.
Auf wundersame Weise kreuzt sich sein Weg mit dem der anderen zwei Protagonisten: Meike ist aus Hamburg geflüchtet. Sie hatte genug von ihren etablierten Freunden mit Weinklimaschrank und Salzmühle mit Peugeotmahlwerk. Genug von ihrem Ex, mit dem sie nichts mehr gemeinsam hatte, außer daß beide rauchten. Von ihrem letzten Geld kaufte sie ein verfallenes Gehöft auf dem Land und wartete auf das groß angekündigte Manuskript des amerikanischen Bestsellerautors Henry LaMarck. Meike ist Übersetzerin und ohne Manuskript zahlt ihr Verlag auch keinen Vorschuß. Das Manuskript kam und kam nicht. Der amerikanische Verlag des Autors meldete ihn als vermißt. Also versetzte Meike ihre letzte Kostbarkeit für ein Ticket nach Chicago. Das Manuskript mußte her.
 
Der dritte in dieser Geschichte ist Henry LaMarck selbst. Bereits für den zweiten Pulitzerpreis wurde er nominiert. Die ganze Welt wartet auf seinen neuen Jahrhundertroman. Unvorsichtigerweise hatte er ihn selber in einer englischen Talkshow als solchen angepriesen. Geschrieben hatte er seitdem kein einziges Wort. Nun versteckt er sich, wartet auf eine Inspiration. Sie zeigt sich ihm in Form eines Zeitungsbildes. Ein verzweifelter Business-Boy, Jasper, steht vor der Grafik einer abstürzenden Aktie. Henry verliebt sich sofort in ihn. Es ist ein Zufallsfoto. Jasper ist gar nicht verzweifelt, nur müde. Tag und Nacht müht er sich mit kleineren Transaktionen, um seine mageren Boni aufzustocken. Viel darf er nicht riskieren. Dafür ist er noch zu neu im Geschäft. Aber Jasper blickt durch. Er hilft einem Kollegen einen dummen Verlust zu egalisieren, macht dabei Gewinn, den er nirgends verbuchen kann, damit seine kleine Manipulation nicht auffällt. Der Gewinn muß weg. Da Jasper seine Lehrjahre im Backoffice begann, der Sicherheitsabteilung, kennt er die Tricks, wie das System zu umschiffen ist. Jasper spekuliert gegen den Trend; aber sein ungewollter Gewinn steigt immer weiter. Er setzte bei einer Hypothekenbank auf Verkaufsoptionen, stieß sie wieder ab, kaufte Kaufoptionen, buchte um, erfand nicht existierende Kontodaten, stürzte ab, verdoppelte beim nächten Einsatz jeden Verlust und irgendwann war der schwindelerregend hoch und seine Bank zahlungsunfähig. Das Bankenimperium wankt, reißt andere mit. Jasper flieht zurück nach Deutschland. Er ist am Ende. Sein Lebenstraum zerplatzt. Es gibt nur einen Platz, an dem er sich verstecken könnte. Auch Henrys Traum zerbricht. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als seine deutsche Übersetzerin um Hilfe zu bitten.
So finden sich alle in einem verfallenen Bauernhof im Norddeutschen wieder.
Ein versöhnliches Ende mit einer pfiffigen Schlußpointe.
 
Magnusson läßt seine drei Hauptfiguren als Icherzähler auftreten. So wird deutlicher, wie verletzbar und einsam sie sind. Vordergründig stehen sie auf der Sonnenseite des Lebens, sehen sich selber jedoch als traurige Verlierer. Das macht sie sehr sympathisch. Selbst diesem durchgeknallten Banker Jasper kann man nicht böse sein. Aber dem Leser bleibt ein bitterer Nachgeschmack, denn genauso begann die Finanzkrise und man bekommt Wut auf all die gewissenlosen Banker, die mit nicht vorhandenen Millionen und mit Geld, das ihnen nicht gehört, spekulieren. Es dient einzig dem Zweck, ihre eigenen Boni zu erhöhen, die sie auch dann bekommen, wenn sie uns alle an den Abgrund gedrückt haben.
Dieser Roman ist ein großer Wurf, obwohl die Figuren ein wenig klischeehaft agieren. Ein drängendes und überdies ungeklärtes aktuelles Problem, das die ganze Welt bewegt, wird hier fulminant, rasant, satirisch, lustig, traurig, witzig mit köstlichen Dialogen dargestellt. Warum es zu diesem Finanzdesaster kam, wird jedem klar und keiner der Beteiligten kann sagen „das war ich nicht“.
 
Jeder, der einer Bank auch nur einen Euro anvertraut, sollte zuvor dieses Buch lesen. Alle, die traurige, aber versöhnliche Liebesgeschichten mögen auch, und der Rest greift danach, weil es im Fach „Bestseller“ liegen wird.


Kristof Magnusson - "Das war ich nicht"
 © 2010 Verlag Antje Kunstmann GmbH, München
 Hardcover mit Schutzumschlag, 288 Seiten, ISBN: 978-3-88897-582-0, € 19,90

Weitere Informationen: www.kunstmann.de