Ein feste Burg ist unser Gott

"Luther" am Städtebundtheater Hof

von Alexander Hauer
Städtebundtheater Hof  

Luther



Musikalische Leitung
: Arn Goerke - Inszenierung: Uwe Drechsel - Bühne: Rudolf Rischer - Kostüme: Barbara Schwarzenberger - Chor: Michel Roberge - Choreographie: Barbara Buser - Fotos:
SFF-Fotodesign, Hof
Besetzung:  Martin Luther: Thomas Rettensteiner - Katharina von Bora: Ingrid Katzengruber - Heilige Anna: Yelda Kodalli - Friedrich III., Kurfürst von Sachsen / Ablasshändler: Karsten Schröter - Johann Tetzel / Abt: Peter Dittman - Michelangelo: Jürgen Schultz - Teufel: Thilo Andersson - Papst Leo X.:Karsten Jesgarz - Äbtissin: Stefanie Rhaue - Maria, eine Jüdin: Marianne Lang - Karl I. von Spanien, der spätere Kaiser Karl V.: Christian Seidel - Bischof Albrecht von Brandenburg: Wladimir Polatynski - Jakob Fugger, Bankier: Manuel Günther - Fünf Heilige: Aki Yamamura, Annett Tsoungi, Jozef Trzaskalik, Hans-Peter Leinhos, Daniel Milos - Alte Frau: Zene Kruzikaite - Angestellte Tetzels: Hans-Peter Leinhos, Daniel Milos - Bettler / Zeremonienmeister: Florian Bänsch - Jörg, ein Bauernjunge: Hannes Krauß / Jonas Willardt
 
Auftragsoper im Zeitgeschmack
 
Es ist immer schön zu wissen, daß die Oper eine Kunstform ist, die sich weiterentwickelt und so hoffentlich noch lange am Leben bleibt. Nach Experimenten in der Zwölftontechnik, in elektronischen Klängen, im Minimalismus scheint sich nun der Trend zu melodieorientierten romantisch angehauchten, oft von Filmmusik beeinflußten Werken durchzusetzen. Auch schön, daß ein eher kleines Haus das Risiko einer Uraufführung auf sich nimmt. Das oft unterschätzte Hofer Theater gab sich in dieser Saison im Zuge der Lutherdekade die Ehre, Roland Baumgartner mit der Komposition einer Lutheroper zu beauftragen.
 
Religionsshow – Alles drin
 
Roland Baumgartner, der in der Filmmusik (sic!) und im Musical zu Hause ist, aber auch schon große kirchliche Werke geschrieben hat, lieferte den Score zu einer neoromantischen Oper ab. Neoromantisch ja, aber Oper? Die neunzehn Bilder zum Leben Luthers, Libretto von Rolf Rettberg, sind eher eine Revue, eine Religionsshow ohne tieferen Sinn. Zu einfach, zu scherenschnittartig gestalten Rettberg und Baumgartner ihre Figuren. Zu verklärt erscheint Luther, der anscheinend ein Mann ohne jeden Makel, aber auch ohne echte Gefühle zu sein scheint. Es ist alles da, vom Erweckungserlebnis über die Romreise bis hin zum Thesenanschlag. Hausherr Uwe Drechsel nahm sich des schwachen Librettos an und gestaltete ein fulminantes, personalintensives Werk. Ein Abend, der eher wegen der Inszenierung und weniger wegen der Musik in Erinnerung bleiben wird. Im Mittelpunkt der 25 Solistenrollen steht Thomas Rettensteiner als Martin Luther. Sein großer Bariton steht deckend für Luther, stark, laut, bestimmend. Rettensteiner gibt die Figur distanziert, einen echten Kontakt mit dem Volk gibt es nicht. Die Rolle erlaubt ihm auch keine inneren Kämpfe, diese und die Zerrissenheit des Menschen Luther werden ausgeklammert. Es scheint, als ob Luther von Anfang geplant habe, eine neue Religion zu stiften. Die Figuren um ihn herum bleiben bis auf die heilige Anna, seine Lieblingsheilige und in der Oper seine Begleiterin und seine Beraterin, eher nur schablonenartige Abziehbilder.
 
Bravouröses Ensemble
 
Das Sängerensemble des Theaters Hof wird durch die Sopranistin Yelda Kodalli ergänzt. Ihre Interpretation der Hl. Anna zeugt von hoher Gesangskunst. Klar in der Intonation, textverständlich, ein Fest für die Ohren. Ingrid Katzengruber gibt Katharina von Bora. Ihre Partitur liegt eigentlich zu tief für ihren dramatischen Sopran, aber Frau Katzengruber meistert ihre Partie scheinbar mühelos. Wieder mal - nach „Sound of Music“ - als Schwester Oberin gibt Stefanie Rhaue Kostproben ihres Könnens. Ihr angenehmer Mezzo trägt auch in dieser kleinen Rolle zum Erfolg des Abends bei. Wie erwartet gerät Marianne Langs Jüdin Maria zu einer kleinen Sensation. Diszipliniert singend und präzise agierend gibt auch sie ihrer Minipartie Tiefe. Auf der Herrenseite gibt Karsten Jesgarz einen pädophilen Papst Leo X, lüstern tätschelt er seine Messknaben (verbuchen wir als zeitaktuellen Gag), Peter Dittmann ergießt seinen Haß auf Luther als Ablaßprediger Tetzel. Mit gebrochenem Baßbariton schildert Jürgen Schultz die Gedanken Michelangelos über Kunst und Kirche. Elegant wie immer Thilo Anderson als Teufel. Sein baritonal angehauchter Tenor klingt verführerisch, seine Erscheinung ist beeindruckend.

 
Eine gefällige Luther-Revue, die kaum Spuren hinterläßt
 
Neben Sängern, Chor Extra- und Kinderchor, makellos einstudiert von Michel Roberge, agierte auch das Ballett in der Choreografie von Barbara Buser. Klassisches Ballett wechselt mit Showdance, den Platz auf der Bühne geschickt nutzend. Rudolf Rischer schuf ein praktikables Bühnenbild, das den rund 100 Akteuren genügend Raum ließ, stets szenenstimmig und dank vieler Projektionen mit wenig Bühnenmobiliar auskommend, die Stationen im Leben Luthers konkretisierte. Barbara Schwarzenbergers Kostümbild changierte je nach Situation zwischen  Mittelalter und Pariser Revue.
Arn Goerke leitete die Hofer Symphoniker ohne Fehl und Tadel. Mit wachem Blick auf die Bühne steigerte oder drosselte er die Dynamik, paßte sein Orchester immer den Bedürfnissen des Bühnengeschehens an. Der Abend ging unter kräftigem Applaus zu Ende, Sänger und Regieteam wurden bejubelt. Das Libretto zeigte einen Luther ohne jeglichen Widerspruch, die negativen Seiten wurden ausgeklammert, die neoromantische Musik Baumgartners gefiel, aber es blieben keine Melodien im Ohr außer „ Eine feste Burg ist unser Gott“. Aber die ist bekanntlich nicht von Baumgarten.
 
Weitere Informationen unter: www.theater-hof.de
 
Redaktion: Frank Becker