Die lustigen Weiber von Windsor

Eine Aufführung des Musiktheaters Gelsenkirchen

von Peter Bilsing
Gelsenkirchen
 
Die lustigen Weiber von Windsor
 
Von Otto Nicolai, Text von Ritter von Mosenthal
Nach einer Komödie von William Shakespeare
 

Spielfreude, Spaß auf der Bühne und wunderbare Musik
 
Premiere am 17.4.2010
 
Nicolai nannte sein Werk eine „komisch-fantastische Oper“. Von nicht wenigen Musikfreunden wird das Werk heute eher als „Operette“ betrachtet. Durchaus berechtigt, wenn man z.B. die

Foto © Pedro Malinowski
Spielopernelemente der „gesprochenen Dialoge“ oder des „Erzählers“ streicht. Genau die Dinge, welche ein Comeback dieses prachtvollen Werkes bis dato auf heutige Bühnen meist verhindert haben; allzu muffig, altbacken und triefig kommt die Geschichte nämlich in ihrer klassischen Form einher. Das dachten sich sicherlich auch David Herman und sein Team, und man peppte das Werk nicht nur durch die Streichung aller Sprechtexte auf, sondern erfand auch eine Zusatzfigur, den Psychiater (Moderator), welcher die Übergänge nun neu gestaltet. Ein heikler Schachzug, aber mit einem bravourösen Routinier wie Uwe Schönbeck kann eigentlich nichts schief gehen. Darüber hinaus haben ohnehin praktisch alle Beteiligten „irgend etwas an der Klatsche“ – wie der Volksmund sagt, und wer kann da besser helfen als ein ausgewiesener Psychiater und seine vielfrequentierte Couch. Dazu noch etwas Mr.-Bean-Witz, dezente Slapstick-Comedy und talentierte Darsteller, die auf das Konzept eingehen und fertig ist ein herrlich unterhaltsamer 3-Sterne-Theaterabend in dem Klamauk, Klamotte, als auch seriöse Sangeskunst ein Fest feierten.
 
Zwar könnte ich mir die Musik noch ein bisserl peppiger vorstellen, was aber Johannes Klumpp aus dem Opernorchester „Neue Philharmonie Westphalen“ zaubert, hat schon seinen Reiz. Gerade in der Traumsequenz der Mondscheinszene, heuer als Ouvertüre vor den dritten Teil gesetzt, bezaubern die Streicher regelrecht durch Anmut und Schönheit. Der Chor ist wie immer von Christian Jeub gesanglich wie auch darstellerisch tadellos und immer einsatzaktiv. Bei einer Umfrage hat das Team vom OPERNFREUND, nicht zu Unrecht, gerade den Chor des MiR auf Platz eins in NRW gesetzt.
 
Die gesangliche Seite wirkt diskutabel. Während Lars-Oliver Rühl (Fenton) und Michael Tewes (Falstaff) alles perfekt ausloteten, klang die restliche Sängerschaft zwar schön, aber durchweg absolut textunverständlich, besonders bei den Damen fiel das auf. Ob es nun an den extrem schall-  und tonschluckenden Bühnenaufbauten liegt oder ob heutige Sänger einfach das textverständliche Operettensingen (was ja sehr schwer ist) nicht mehr gewohnt sind, mag dahingestellt sein. Dabei mußte ich immer an Placido Domingos Wagner-Interpretation denken, wo ich einst schrieb: „Man versteht wirklich kein einziges Wort – aber wunderschöööön klingt alles!“ Im MiR hat man sich dankenswerterweise zu Übertitelungen entschlossen, wobei die Anlage am Premierenabend natürlich prompt öfter ausfiel. C´est la vie! Es trübte diesen schönen Abend in keinster Weise.

Foto © Pedro Malinowski
 
Besonderes Lob für die herrlichen Bühnenbilder (Christof Hetzer), Requisiten und Kostüme (Christina Nyffeler). Einer schnöden Ikea-Schrankausstellung folgt das realistische Ambiente einer örtlichen Freibad-Lokalität, schließlich übergehend in ein traumwandlerisches Finale mit riesigen Pilzen und Phantasiebildern, wie auf einem gigantischen Kinderspielplatz für Erwachsene; vielleicht sieht die Welt nach dem Genuß eines Haschischpfeifchens oder eines geeigneten Pilzgerichtes so bunt und schillernd bzw. wunderbar „waldwebend“ aus. Auch von Alice im Wunderland hatte das was (die kleine Alice nascht ja auch an halluzinogenen Pilzen).
 
Fazit: Was für eine phantasievolle und intelligente Regiearbeit, so kann man die alten Schinken wieder fürs Musiktheater aufpäppeln - so muß es gemacht werden, dann sind große Komponisten wie Otto Nicolai nicht mehr verloren. Das Publikum jedenfalls war ebenso begeistert wie der Kritiker. Bravo! Mal wieder ein höchst unterhaltsamer Opern-Abend am Musiktheater im Revier.
 
Weitere Informationen unter: www.musiktheater-im-revier.de

Redaktion: Frank Becker