Einstürzende Gedankengänge Ulrich Land   Kaum sitzt Dollinger in seinem nostalgischen Käfer, legt er seine einzige CD ein, die er während der Fahrten durch Trier und die Eifel bis zum Anschlag aufdreht. ´Einstürzende Neubauten` hämmern ihm ins Hirn. Es hilft nicht wirklich, seine ´einstürzenden Gedankengänge` in den Griff zu bekommen. ´Dissoziative Identitätsstörung` diagnostizierte seine Psychotherapeutin. Das ist nicht schön, wenn so ein zweiter Dollinger neben einem her läuft. Vor allem nicht, wenn man wie Dollinger Chef der Mordkommission ist und gerade im Kellerverschlag eines Mietshauses ein verhungertes Kind gefunden hat und einige Etagen darüber eine Mutter, die das alles nicht besonders zu berühren scheint. Wenn dann noch kurz darauf besagte Mutter bestialisch ermordet und mit den Handschellen gefesselt, die Dollinger vermißt in der Speisekammer ihrer Wohnung liegt, dann – ja dann kann man schon ins Grübeln kommen.   Hauptkommissar Dollinger wird natürlich fürs erste suspendiert. Das hält ihn nicht von eigenen Ermittlungen ab. Doch er kann sich überhaupt nicht konzentrieren. Sein Gedächtnis macht Zeitsprünge. Gedanken wirbeln durcheinander, stürzen ab. Er wähnt sich als Kind im Käfer seiner Eltern, durchlebt den schrecklichen Unfall, sieht sich mit dem bösen Norbert konfrontiert, der den kleinen Tom Dollinger schlimme Streiche spielte. Bilder aus Islands Gletscherwelt quälen ihn. Seine Tochter liegt lebensgefährlich verletzt unter dem eisigen Steilhang – abgestürzt. Alles stürzt zusammen. Dollinger kann bald nicht mehr zwischen der Realität und seinen Traumata unterscheiden. Gibt es wirklich einen zweiten Dollinger? Ist er ein Mörder? Helfen könnte ihm vielleicht seine Psychologin oder die Mahnemann, seine Assistentin. Doch wollen sie es, können sie es?   Ulrich Land erzählt überschneidend mehrere Geschichten. Doch immer ist es das Leben des Tom Dollinger. Seine Kindheit, sein Abenteuerurlaub mit Tochter Marina auf Island und sein endgültiger Zusammenbruch jetzt. Stolz ist er nur auf seine alte blaue Pocke, die immer noch durchhält. So nennt der Hauptkommissar liebevoll seinen aufgemotzten VW-Käfer. Ein Ausdruck, der mir bisher nicht geläufig war. Nicht der einzige. Ulrich Land ist als Wortakrobat bekannt. Nie gehörte Substantive kreiert er. Die Gedanken seines Protagonisten bannt er so auf Papier, wie ein in Auflösung befindliches Gehirn dahinstolpern würde: sprunghaft, halbe Sätze, abgebrochene Wörter. Dazwischen immer wieder faszinierende Landschaftsbeschreibungen Islands, mit seiner unheimlichen Vulkan- und Gletscherwelt. In ihr kämpft Dollinger um das Leben seiner Tochter.   Am Ende bleibt alles offen. Betroffen wird der Leser zurückgelassen. Doch er hat einen innovativen Roman gelesen, der fesselte. Es ist der zweite Kriminalroman, den Ulrich Land veröffentlicht. Selber sagt er dazu, daß es ihn vermehrt stört, wenn in  „Tatort“-Folgen das Familien- und Liebesleben der Kommissare den eigentlichen Krimi in den Hintergrund drängt. „Ich wollte da jetzt einfach mal einen draufsetzen und einen Kommissar vorstellen, dessen komplettes Leben einstürzt.“ Das ist eindrucksvoll gelungen. Nebenbei wird übrigens auch wieder übers Essen gesprochen oder vielmehr daran gedacht. Zu dem Verlagskonzept gehört es, typische Gerichte der Handlungsorte vorzustellen. Und so finden sich in Anhang Rezepte zu Eifeler Wildschweinsülze bis zu isländischem Hangikjöt (geräucherter Hammel), nebst anderen wundersamen Köstlichkeiten. Liebhaber des Genres empfehle ich eine Lesung des Autors, der hauptsächlich als Schöpfer von Hörspielen, Essays und auch als Moderator mit eindrucksvoller Stimme bekannt ist. Die nächsten Termine: 06. Mai VHS Köln; 27. Mai Altes Rathaus Hattingen; 02. Juni Cafe´ Treibhaus Bochum; 05. Und 06. Juni Literaturhaus Wuppertal; 12. September Rottstr.5Theater Bochum und am 08. Oktober ´Crimi Dinner` in Schwerte im Rahmen des Festivals „Mord am Hellweg“ mit Übertragung auf WDR 5. Ulrich Land - "Einstürzende Gedankengänge" Eifel / Island-Krimi mit Rezepten © 2010 Oktober Verlag, Münster Broschiert, 285 Seiten, ISBN: 978-3-941895-03-4, € 14,00   Weitere Informationen:  www.oktoberverlag.de