Das Prinzip Hoffnung

Landestheater Coburg: Anatevka

von Alexander Hauer
Landestheater Coburg
Anatevka
Musical von Joseph Stein (Buch), Jerry Bock (Musik)
und Sheldon Harnick (Liedtexte)

Das Prinzip Hoffnung
 
Am Ende wird „Er“ alles richten. Dies ist die Kernaussage des Musicalerfolges “Fiddler on the Roof“. Joseph Steins Szenen aus einem Schtetl garantieren immer ein volles Haus: irgendwo im Zarenreich, mit der genialen Musik von Jerry Bock den folkloristischen Ton genauso wie den Broadwaystandard der 60er treffend. So auch die restlos ausverkaufte Premiere in Coburg.
Oper, Schauspiel und Ballett vereinten sich in einer gradlinigen klugen Show, der es an nichts

Stefan Mertl, Alexander Lifland - Foto © Henning Rosenbusch
mangelt. Claudio Bueno ließ in dem traditionellen, variablen Bühnenbild von Erwin Bode und den Kostümen Ellen Haubs das Leben in der Abgeschiedenheit der russischen Provinz auferstehen. Der titelgebende Geiger auf dem Dach wird nicht vom Graben aus gegeben, Konzertmeister Alexander Lifland selbst steht auf der Bühne, quasi als Tevjes alter ego.
 
Makellose Musik und starke Charaktere
 
Georgios Vranos läßt sein Philharmonisches Orchester makellos, mit flottem, aber nie gehetztem Tempo aufspielen. Der Chor unter Stefan Meiers Leitung wie immer überragend. Josef Stein stellt in seinem Buch Tevje in den Mittelpunkt und degradiert damit alle anderen Protagonisten zu Stichwortgebern. Schauspieler Stefan Mertl ist ein Tevje, wie man ihn sich nicht besser wünsche kann. Ihm zur Seite steht Elga Mangold, ihre Golde gerät zu einer perfekten Studie einer Ehefrau und Mutter, die mit den Widrigkeiten des Lebens zu Rande kommen muß. Anja Lenßen (Zeitel) zeigt die Nöte eines Mädchens, das verheiratet werden soll, aber einen anderen liebt. Ihr Motel Kanzel ist Benjamin Savoyer, ein liebenswerter sanfter Mann, der sich letztendlich gegen den Willen Tevjes durchsetzen kann. Jodel  (Ulrike Barz), die überragende Mrs. Lovejoy aus „Sweeny Todd“, wird vom einfachen Provinzmädchen zur selbstbewußten Frau, wenn sie ihrem Perchik (Jason Tomory) in die sibirische Verbannung folgt. Katrin Diekelt stellt als Chawa ihr sängerisches und schauspielerisches Talent unter Beweis, wenn sie sich gegen alle Traditionen und den Willen ihres Vaters stellt um den Christen Fedja zu heiraten. Mit Vivian Frey bildet sie das tragische Paar zwischen Liebe und Verpflichtung.
 
Überdurchschnittlich besetzt
 
Monika Tahul und Kerstin Kluge sorgen in Tevjes Traum als Fruma Sara und Zeitel, Goldes

Elga Mangold, Stefan Mertl - Foto © Henning Rosenbusch
Großmutter, für fröhliches Aufatmen in einer spannenden, zum Nachdenken zwingenden Inszenierung. Der geschäftstüchtigen Heiratsvermittlerin Jente, gespielt von Gabriele König, schwimmen mit den emanzipierten Töchtern Goldes und Tevjes alle Felle davon. Kleinere Nebenrollen wurden mit Schauspielern und Chorsängern überdurchschnittlich besetzt. Die Tanznummern, insbesondere der akrobatische „Flaschentanz“ wurden durch das Ballett hervorragend interpretiert. Am Ende, wenn die Juden aus ihrer Heimat vertrieben werden, siegt es dann wieder, das Prinzip Hoffnung. Bock und Stein fordern mit Anatevka auf, sich mit anderen Kulturen zu beschäftigen, es dient dazu mehr Toleranz auf zu bauen.
Nach gut drei Stunden endete ein lebendiger, fast ungestrichener Musicalabend unter lang anhaltendem Applaus. Hingehen, solange diese Ensemble noch besteht.
 
Redaktion: Frank Becker