Grabenkämpfe

Jordi Galcerans "Die Grönholm-Methode" in einer Inszenierung des Euro-Studio Landgraf

von Frank Becker
Grabenkämpfe
 
Das Euro-Studio Landgraf mit
„Die Grönholm-Methode“ von Jordi Galceran
in einer Inszenierung von Johannes Zametzer


Inszenierung: Johannes Zametzer - Bühne: Jeanny Kratchowil – Kostüme: Kara Schutte - Fotos: Dietrich Dettmann
Besetzung: Fernando Porta:  Luc Feit - Enrique Font: Carsten Klemm - Mercedes Degas: Claudia Buser - Carlos Bueno: Klaus Nierhoff
 
Vier Kandidaten – ein Ziel
 
Ein sachlicher Konferenzraum mit Designer-Sesseln, eher vom Charakter eines neutralen Foyers, an einer Wand ein großformatiges abstraktes Gemälde, in eine andere eingelassen eine verborgene Klappe. Jeanny Kratchowil hat auf der Bühne eine zeitgemäß kühle Atmosphäre für die packende Inszenierung von Johannes Zametzer geschaffen. Drei Herren, eine Dame treten auf, Bewerber für

Luc Feit, Carsten Klemm, Claudia Buser - Foto © Dietrich Dettmann
einen leitenden Posten in einem multinationalen Konzern: Fernando Porta (Luc Feit) ist als erster eingetroffen, salopp gekleidet, wirkt lässig, gibt sich smart und siegesgewiß. Nr. 2 ist  Enrique Font (Carsten Klemm), der wie Porta überrascht ist, gleichzeitig zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu sein. Er, im gedeckten Anzug, wirkt hektisch, redselig, aufgedreht. Nr. 3 und Nr. 4 kommen gemeinsam: Mercedes Degas (Claudia Buser) im körperbetonenden Kostüm und Hi-Heels tritt forsch auf, streng, smart, hart, Carlos Bueno (Klaus Nierhoff), viel zu sportlich gekleidet, wirkt auf den ersten Blick robust. Offenbar kennen sich beide von der Universität. Vier Kandidaten, ein Ziel. Niemand erscheint, um sie zu begrüßen. Bis die Wand-Klappe in einem Kuvert die Information ausspeit, einer der vier sei kein Bewerber, sondern gehöre zum Personalbüro der Firma. Innerhalb zehn Minuten soll er entlarvt werden. Das Hauen und Stechen beginnt.
 
Bis an die Grenzen
 
Jordi Galcerans intelligentes, blitzschnelles Stück nimmt sich die Assessment-Methoden vor, die von im großen Rahmen operierenden Firmen tatsächlich benutzt werden, um durch psychologische Test-Spiele die Eignung von Bewerbern für hoch dotierte Führungsposten herauszufinden. Daß dabei bis an die Grenzen psychischer Belastbarkeit und darüber hinaus gegangen wird, zeigt sich sehr schnell in „Die Grönholm-Methode“. Die vier belauern sich, beziehen wechselnde Positionen. Wer ist der „Verräter“? Ist es vielleicht ein weiterer Trick und keiner ist falsch? Ist Team-Arbeit angezeigt oder Grabenkampf? Was erwartet man von ihnen? Alle belauern sich gegenseitig und mißtrauen einander. Eloquent und in hohem Tempo fliegen die Dialoge, überraschen mit immer neuen Wendungen. Obwohl seit drei Jahren auf dem Tournee-Spielplan des Eurostudio Landgraf, wirkt nichts routiniert oder abgespielt. Die perfekte Inszenierung läßt durch die Eloquenz der Spieler die Spannung beklemmend ansteigen.
 
Demaskierung
 
Weitere Aufgaben folgen, die den vier Opfern – denn nicht anderes sind sie in diesem Auswahlverfahren - intimste Bekenntnisse bis zur Peinlichkeit und Entblößung und völlige Rücksichtslosigkeit den anderen gegenüber abverlangen. Wer den Raum vor der Zeit verläßt, ist unwiderruflich raus aus dem „Spiel“, das brutal mit Lebenskatastrophen und seelischen Lasten jongliert. Wie weit werden sich die Kandidaten der Verletzung aussetzen, ihre Würde mit Füßen treten lassen? Wie weit darf und wird ein Unternehmen gehen und wie weit läßt sich jemand treiben, der ausgerechnet diesem Unternehmen angehören will?

Claudia Buser, Luc Feit - Foto © Dietrich Dettmann
Das perfide Spiel gibt anfangs noch Raum für Lacher, doch der Kloß im Hals wird größer, die Lacher mischen sich mit Entsetzen. Nicht komisch! Im schnellen Schlagabtausch und Aufeinanderprallen der Charaktere beweisen alle vier Darsteller hohe Schauspielkunst, wobei Luc Feit und Claudia Buser ihre Anteile noch ein wenig intensiver ausleben. Die Entwicklung auf das überraschende Ende zu ist kompromißlos und demaskiert die Methode. Die Wirklichkeit wohl auch. Geschont wird nicht, es gibt noch andere Bewerber. Denn gesucht wird „nicht der gute Mensch, der nach außen ein Arschloch ist, sondern ein Arschloch, das nach außen ein guter Mensch ist“. Wenn das die Kriterien sind (und das sind sie wohl), nach denen die Vorstandsposten der Wirtschaft und Finanzwelt besetzt werden, wissen wir, warum alles so ist, wie es derzeit ist. Zynischer, hässlicher, böser geht es kaum. Ein wichtiges Stück, eine ausgezeichnete Inszenierung.
 
Weitere Informationen unter: www.landgraf.de