Gegessen wird um Zwölf!

Gerd Dudenhöffer brachte in seinem neuen Programm "Ohne Kapp ... undenkbar!" als Heinz Becker die Sache auf den Punkt

von Frank Becker

Gegessen wird um Zwölf!

Gerd Dudenhöffer bringt als Heinz Becker die Sache auf den Punkt

Während sich die Festung Heiligendamm wirklichkeitsfern und bürgerfeindlich mit 16.000 (!) bis an die Zähne bewaffneten Polizisten und DDR-ähnlichen Hi-Tech-Sperranlagen darauf vorbereitet, einen gigantischen Sack heiße Luft vor der freien Meinungsäußerung zu schützen, setzt sich Heinz Becker lebensnah mit Fragen des Alltags und der Weltpolitik auseinander, die ihm weit näher liegen: wie z.B. verhält sich das Alter vom Sandmeier Emil zum 75. Stiftungsfest der Freiwilligen Feuerwehr? Wie (und was) ißt und trinkt man ökonomisch, um das "Kommenions-Geschenk" wieder herauszuwirtschaften, das man eben pflichtgemäß überreicht hat? Gerd Dudenhöffer gibt die Figur des Heinz Becker, durch dessen vordergründige Humorlosigkeit genau der hintergründige Humor entsteht, der das Erfolgsrezept dieses exzellent gezeichneten Klein(st)bürgers ist. "Ohne Kapp ... undenkbar!" heißt Dudenhöffers neues Soloprogramm, mit dem er derzeit tourt und gestern Abend im Wuppertaler "Rex-Theater" zu Gast war.


Heinz Becker zieht sich gerne vom Gewimmel und Getriebe lauter Familienfeiern, Betriebsfeste oder eben einer "Kommenion" zurück, um zu reflektieren. Dabei kommt er - er ist ja schließlich kommunikativ - mit dem wie zufällig anwesenden Publikum ins Gespräch, besser: zum Monolog. Er öffnet das Fenster zu seinem Seelenleben und zu seinen Ansichten über dies und jenes einen Spalt breit zu einem Blick ins kleinkarierte Denken, das uns nur zu bekannt ist. Natürlich nicht von uns selbst - immer nur von den anderen. Deshalb lachen wir auch ganz entspannt, denn wir sind ja gar nicht gemeint. Weit gefehlt! Was wir dabei nämlich durch Dudenhöffers geniales Spiel mit halben Sätzen, verbalen Mißverständnissen und Begriffsverwirrungen zu hören bekommen, ist gleichermaßen amüsant wie schockierend, denn sie sind es lieber Leser, ihr Nachbar ist es, und ich bin es auch - der Kabarettist lüpft ein wenig die Maske des Biedermannes, läßt diesen in aller Unschuld seine Bretter vor dem Kopf (und das sind einige!) zeigen und hält ihm den Spiegel bis zur Peinlichkeit vor.

Der nicht jedem Zuhörer zugängliche höchst charmante saarländische Zungenschlag und dessen deftiger, ja mitunter makabrer Humor tun das ihre zum heiteren Ergebnis. Dudenhöffer ist nicht nur Wort- und Gedankenjongleur, sondern auch ein begnadeter Sprachartist, dessen Geschichten grade durch die köstlich eingesetzte Mundart ihren Biß bekommen. Manchmal erinnert er ein wenig an die niederrheinischen Figuren des unvergessenen Hanns Dieter Hüsch, dessen liebenswerte Skizzen aus dem Bürgertum einen Maßstab für alle folgenden Generationen von Kabarettisten gegeben haben. Dudenhöffer nimmt seiner Kunstfigur das Liebenswerte, macht den im Grunde friedfertigen Mittelständler mit Fremdwort- und Definitionsproblemen zum gefährlichen Abbild aller Vorurteile und der vernagelten Dummheit, die den klaren Blick in die Welt trüben. Doch klar sind für ihn selbst natürlich alle seine Ansichten und Meinungen, und er nimmt weiß Gott kein Blatt vor den Mund, es sei denn, es geht ums Sexuelle oder ums Seelische - da ist er etwas gehemmt. Doch wenn es um die Krankenhausbehandlung "typischer Frauengeschichten" geht, weiß er Bescheid: "Ah ja, zu dick!", und auch zum islamistischen Terror hat er eine dezidierte Meinung: "Dene Selbstmordattentäter geheert anschließend de Arsch versohlt - wenn man den dann noch findt!".

Auch zur Frage
der Liberalisierung der Homosexualität, die ihm weiß Gott ein Dorn im Auge ist, weiß der König der Vorurteile verblüfft etwas zu sagen: "Heute kann en ähh... Homusexueller einen Schwulen heiraten!" - na wenn das mal nicht zu weit geht. Selbstverständlich geht auch zu weit, daß die Neger und grad die Negerinnen Rechte beanspruchen: "Der Neger setzt sei Hautfarb ja wie en Schwerbehindertenausweis ein!". Becker versteht die Welt nicht mehr: "die Schwarze, die der Dieter net gewonne, ähh gekaaft hat - aufm Schwarzmarkt (Scherz!), die will jetzt aach Emazipazion, will als Frau behandelt wern". Dafür fällt es ihm leicht Kollektivschuld-Komplexe der Nationen auf gleicher Höhe zu manifestieren: Deutschlands Holocaust, Englands Wembley-Tor, das diebische Polen, die holländischen Wohnwagen-Karawanen auf deutschen Straßen und die Französische Revolution - jeder hat halt sein Päckchen zu tragen und keines wiegt schwerer - da ist Heinz Becker gerecht.

Aber um nochmal zum Ausgangspunkt zurück zu kommen: Heinz Becker hat natürlich auch  Meinungen zur Ökologie. So nimmt er hoffnungsfroh an, daß die Luftverschmutzung unserer Atmosphäre durchs Ozonloch wieder abzieht und hat klar erkannt, daß die von den USA beanspruchte Rolle als Vorreiter beim Klimaschutz nur eine Feststellung erlaubt: "Das ist dann aber ein Pferd ohne Beine." Aber eines beruhigt unseren Biedermann, dessen personifiziertes alter ego "es Hilde" Alice Hoffmann wir noch immer schmerzlich vermissen, dann doch wieder und verschafft
ihm in der Ausgewogenheit innere Ruhe: "Die einen sagen so, die anneren sagen so - und so wird es auch gemacht. - Und gegessen wird um Zwölf!"




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