Kabarettistische Nabelschau

Thomas Freitag wird heute 60 Jahre alt

von Frank Becker

© Thomas Freitag
„Machen Sie den Strauß!“
 
Thomas Freitag
in seinem rückblickenden Programm
„Nur das Beste“
mit einer kabarettistischen Nabelschau
 
 
Mimikri
 
Man sagt ja, daß ein altes Ehepaar (oder auch Herr und Hund) in äußerem Erscheinungsbild und Mimikri einander im Laufe der Jahrzehnte immer ähnlicher werden. Als grandioser Parodist seines geliebt-gehaßten Alter ego Franz Josef Strauß (1915-1988) feierte Thomas Freitag schon zu dessen Lebzeiten umjubelte Erfolge, der Publikumswunsch „Machen Sie den Strauß!“ hat ihn jedoch beinahe als Fluch begleitet. Wurde der bekannt bissige Polit-Kabarettist dadurch und durch seine nicht minder populären Parodien auf Wehner, Brandt und Kohl („Der Kohl ist nicht so lustig, wie er komisch ist“) doch oft darauf reduziert. Das beklagt Freitag in seinem Rückschau-Programm „Nur das Beste“, mit dem er seit April tourt.
Verblüffend jedoch: In Gestalt und Atemnot nähert er sich 22 Jahre danach immer noch und immer mehr seinem ungeliebten Zwilling, denn auch außerhalb der Parodie, die weiterhin einen wesentlichen Teil seines Programms ausmacht, agiert Thomas Freitag stiernackig, beleibt, kurzatmig, schnaufend und schwitzend als Fleisch gewordener Wiedergänger des verewigten CSU-Vorsitzenden. Und das Ü-60-Publikum lacht. Jüngere haben da kaum eine Chance.
 
Post von der BfA
 
Die BfA bombardiert ihn mit Briefen, will Unterlagen über seine Lebensarbeitszeit. In seinem Keller-Karton-Archiv kommt Einiges zu Tage. Thomas Freitag ist mit einem Sammelsurium von Texten und Ausschnitten von Programmen aus 40 Jahren - nicht unbedingt den besten - ans Aufräumen gegangen. Er erzählt aus seinen Anfangstagen als Jung-Schauspieler und -Kabarettist, vom erfolglosen Vorsprechen an der Berliner Schaubühne, vom Stuttgarter Renitenz-Theater, dem Stadttheater Gießen und dem Düsseldorfer Kom(m)ödchen, wo er u.a. als Partner von Lore Lorentz reüssierte, und er zeigt in nostalgischen Projektionen und Film-Mitschnitten Zitate seiner langen, erfolgreichen Karriere. Es schwingt viel Wehmut mit, wenn Thomas Freitag sich weit ab von jeder Tages-Aktualität an legendäre Abende wie „Pfui, da steht er!“, „Geld oder Gülle“, „Die Angst der Hasen“ oder „Millionär in 98 Minuten“ erinnert.
 
Memento mori

© Thomas Freitag
 
Täuschen wir uns, wenn wir auch Sorge und deutlich ein Memento mori hören? Bewegend trotz Ironie beschreibt Freitag das unwürdige Schicksal alter Menschen in Altersheimen, satirisch spießt das Tagebuch eines aufbruchsfrohen Rentners die Unfähigkeit auf, etwas aus dem Alter zu machen, und ein Dialog mit dem Tod fehlt auch nicht. Freitag bilanziert. Das fällt mitunter etwas überholt aus, wird dann aber wieder aufgefangen: durch eine Parodie. Zwerchfellerschütternd gibt er mit vollem Körpereinsatz den Reich-Ranicki. Grandios!
Erst nach zweieinhalb Stunden und etlichen Zugaben, darunter seine berühmte und ach so treffende Gegenüberstellung des Arbeitstages polnischer und deutscher Handwerker, verabschiedet sich Thomas Freitag gewöhnlich von seinen Gästen. Man bekommt was fürs
Geld. Ein Programm mit ernsten, nachdenklichen Untertönen. Eine Bilanz.

Derzeit gönnt er sich mit Fug und Recht (bis Anfang August) eine Pause, denn heute wird Thomas Freitag 60 Jahre alt. Die Musenblätter wünschen Glück!
 
Weitere Informationen unter: www.thomasfreitag.com/