Stadtbilder I
Die Stadt Düsseldorf ist sehr schön, und wenn man in der Ferne an sie denkt und zufällig dort geboren ist, wird einem wunderlich zumute. Ich bin dort geboren, und es ist mir, als müsste ich gleich nach Hause gehen.
(Heinrich Heine)
Düsseldorf
Der Stadtpark in Düsseldorf, diese behäbige, mit vielen exotischen Bäumen, Pflanzen und Blumen wohlgenährte Insel der Erholung, ist für die Stadtmenschen geschaffen. Sie geben sich Sonntag für Sonntag einer Landschaft hin. Die Landschaft ist umgürtet von Verkehrsgeräuschen, einem niemals aufhörenden Anfahren und Abfahren der Autos, Busse und Straßenbahnen. Sie ist eine Illusion, die ihre eigene, unfehlbare Ordnung verfolgt. Die Stadtmenschen sind daran gewöhnt. Es stört sie nicht in der Betrachtung der farbenfrohen Blumenrabatten oder der stillen Wasseroberfläche des Teichs. Nur vom Wind gerüttelte, tief hängende Trauerweidenzweige oder nach Schlamm tauchende Enten bringen Bewegung hinein. Jeder Park hat einen Teich. Das ist ein Gesetz. Die Geschicke der Stadtmenschen spiegeln sich darin.
Es ist Frühling, und der grüne Atem des Tages blüht. Die Familien haben ihre Wohnungen abgeschlossen. Sie sind ins Freie gegangen. Sie lagern unter den Bäumen, im frischgrünen Gras, in den Gänseblümchen. Ihre Kinder hüpfen auf einem Bein durch die Blumenrabatten, von Steinplatte zu Steinplatte. Es sind Wege, die kleine Anhöhen hinauf und hinunter führen. Sie sind wie geschaffen für solche Spiele. Das wissen auch die Väter. Sie kommen ihren Vaterpflichten nach, fotografieren die Beweise ihrer Fürsorge für das Familienalbum. Die ganz Fortschrittlichen tragen kleine, handliche Filmkameras auf der Schulter und sehen in das Objektiv als wäre es das Zielfernrohr eines Gewehrs. Das Surren der Kamera hält die Kinder, ohne ihr Wissen, für immer in ihren Spielbewegungen fest. Für eine Abendunterhaltung in ferner Zukunft ist gesorgt.
Ich beobachte alte Frauen, wie sie ihre Münder bewegen. Sie haben nicht mehr viel Zeit sich alles zu sagen, huschen von Bank zu Bank, drehen ihre Gesichter nach jedem gesprochenen Satz erneut in die Sonne. Alte Männer lehnen am Stock oder halten ihre Hände verschränkt am Rücken. Sie sehen den vorbeiwippenden Miniröckchen nach. Diese ewige, nie alternde Sehnsucht. Junge Paare lassen sich wortlos in die gesuchte Nähe fallen, lehnen die Körper lässig aneinander. Sie berühren sich wie selbstverständlich. Auch ältere Paare sind da, ebenfalls wortlos. Die Gleichgültigkeit mancher in ihrer Zweisamkeit ist zu spüren. Sie halten sich nirgends lange auf.
Ein Federball fällt neben meine Hand, vogelleicht. Ich stehe auf, werfe ihn zurück. Danke, höre ich sagen. Bitte, sage ich und lächle. Es ist das erste von mir gesprochene Wort seit Stunden.
© Friederike Zelesko - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2010
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