Dessous

von Karl Otto Mühl

Archiv Musenblätter
Dessous
 

Der Mensch ist ein höheres Wesen. Er hat differenzierte Arten  von Bekleidung erfunden, die subtile Dinge ausdrücken: Stand, Stimmung und Funktion, und vieles andere mehr. Unter der Oberbekleidung trägt er die Unterkleidung., die eigentlich nur an Frauen schön ist. Kein Mann ist schön in Unterhosen.
 
Die Kleidung ist so sehr Teil des Menschen, daß wir ihn auch in unseren Vorstellungen meistens bekleidet sehen. Auch Frauen werden von Männern bekleidet imaginiert.
 
Anders ist es mit den sexuellen Phantasien der Männer. Da kann es zu völliger Nacktheit kommen, aber, ehe es soweit ist, spielen die Dessous eine wichtige Rolle, auch in der Praxis. Noch wichtiger scheinen sie für Fetischisten zu sein, die sich anscheinend nicht einmal um den Inhalt der zarten Gespinste kümmern - was die Mehrzahl der Männer nicht versteht.
 
Und nun kommt der Beweis, daß der Mensch ein höheres Wesen ist. Niemals stellt sich ein Primat ein Weibchen bekleidet vor. Nur nackt. Kleidung aber bedeutet Kultur, wenn sie am Anfang unserer Laufbahn auch hauptsächlich Schutzfunktion gehabt haben mag. Die Kultur aber haben wir.
 
Sehr früh auch scheint sich der Mensch  geschämt haben, schon am Ende seine Aufenthaltes im Paradies. Ab da hat er sich teilweise bedeckt. Er hat ein Gefühl für das entwickelt, was ureigentlich nur zu ihm gehört.
 
Auch davon kann bei Primaten keine Rede sein. Der Mensch ist ein höheres Wesen.



© Karl Otto Mühl - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2010