Die Tulpe

Ein Foto von Johannes Vesper zu einem Gedicht

von August Graf von Platen

Foto © Johannes Vesper

Die Tulpe
 
Andre mögen andre loben,
Mir behagt dein reich Gewand,
Durch sein eigen Lied erhoben
Pflückt dich eines Dichters Hand.
 
In des Regenbogens sieben
Farben wardst du eingeweiht,
Und wir sehen, was wir lieben,
An dir zu derselben Zeit.
 
Als mit ihrem Zauberstabe
Flora dich entstehen ließ,
Einte sie des Duftes Gabe
Deinem hellen, bunten Vlies.
 
Doch die Blumen all, die frohen,
Standen nun voll Kummers da,
Als die Erde deinen hohen
Doppelzauber werden sah.
 
"Göttin! o zerstör uns wieder,
Denn wer blickt uns nur noch an?"
Sprach's die Rose, sprach's der Flieder,
Sprach's der niedre Thymian.

Flora kam, um auszusaugen
Deinen Blättern ihren Duft:
"Du erfreust", sie sagt's, "die Augen,
Sie erfreun die trunkne Luft".
 
 
August Graf von Platen