Lola Cola und andere Delikatessen

Mel Ramos - 50 Jahre Pop-Art

von Frank Becker

Lucky Lulu Blonde 1965 © Mel Ramos
Kunst mit Sex-Appeal

75 Jahre Mel Ramos
50 Jahre Pop-Art
 

W
enn der amerikanische Pop-Künstler Mel Ramos am 24. Juli seinen 75. Geburtstag begeht, feiert nicht nur die Kunstwelt mit. Denn Ramos hat etwas geschafft, was außer ihm in dieser Form kein anderer fertiggebracht hat: das seit Alberto Vargas, Gil Elvgren, Harry Ekman, Bill Medcalf u.v.a. bereits ungemein populäre künstlerische „Great American Pin Up“ über die erotische Anspielung hinaus durch die unmittelbare Verbindung mit Markennamen im Bewußtsein einer breiten Öffentlichkeit zu verankern. Denn wer kennt nicht seine mit allgemeinem Vergnügen betrachtete „Lucky Lulu Blonde“, die „Lola Cola“ (1965), seine „Val Veeta“ oder die „Miss Lemon Drop“.
 

Photo Ring 1962 © Mel Ramos
Zu seiner Erfolgslinie, dem zum Markenzeichen gewordenen Pin Up, das er bis auf den Tag weiter produziert, fand Mel Ramos nach seinem Kunststudium in Kalifornien erst an dritter Stelle. Nach Schritten in den Spuren von Edward Hopper, die in seinen Gemälden der späten 50er und ersten 60er Jahren deutlich erkennbar sind, widmete er sich bis 1964 dem Portraitieren von bekannten Comic-Figuren der Superhelden-Welt mit Superman, Batman & Robin, Flash, Wonder-Woman, Hawkman, The Phantom u.a.. „Statt Leute zu malen, die ich kannte, beschloß ich, Leute zu malen, die ich in meiner Kindheit bewundert hatte. Als Kind hatte ich eine große Vorliebe für Comics, und ich wollte jetzt die Helden meiner Kindheit malen“ wird Mel Ramos zitiert. Er nimmt die Zeichnungen von Joe Shuster, Lee Falk und Bob Kane als Vorlage für dynamische Ölbilder. Was Roy Lichtenstein graphisch durch Aufrasterung für die Erhebung von Zeitungscomic-Bildern war, wurde Ramos mit der plastisch-pastosen Ausformung seiner Superhelden.
 
Schon bald malte er mehr und mehr weibliche, sichtbar femininere Figuren, gab ihnen anonyme Gesichter, die er von Modellen aus Girlie-Magazinen übernahm oder er bediente sich der Prominenz,

Peek-a-Boo Scarlett 2007 © Mel Ramos
so z.B. bei seiner „Camilla No. 2“ (1963) des Gesichts von Marilyn Monroe oder bei „Pha –White Godess“ (1963) dem von Jane Russell. Die „Phantom Lady“ von 1963 hat eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit Ava Gardner. Die Superhelden traten in den Schatten und Mel Ramos schaute durchs Schlüsselloch ins gelobte Land: „Peek-a-Boo“ - ein beliebtes Sujet erotischer Männermagazine. Das tut er übrigens auch bis heute noch gerne: „Peek-a-Boo Scarlett“ (2007) erlaubt einen aktuellen Blick auf die unverhüllte Scarlett Johansson. Schon 1964 kam Ramos auf die originelle und einigermaßen unkonventionelle Idee, seine den üppigen Playboy-Centerfolds immer ähnlicher werdenden Pin Ups mit Markennamen zu kombinieren: Sunkist, Chiquita, Kellogg´s, Firestone, Del Monte, Colgate, Coca Cola, Pepsi Cola, Velveta, Campari, Gitanes, Campbell, Valvoline, Hunt, Kent und Lucky Strike sind nur einige. Sogar die Signets so hehrer Organisationen wie Rotary, Lions und der American Legion wurden mit unverhüllter Weiblichkeit geschmückt. Das frivole Spiel mit phallischen Symbolen gehört ebenso dazu wie der häufig unmittelbar auf den Betrachter gerichtete Blick des Modells.
 

Stella Strellson 2007 © Mel Ramos
Daß er nicht vor Tabus zurückschreckt, zeigte Ramos Ende der 60er Jahre mit seinen „Animal Paintings“, die seine Akte mit Tieren zusammenbrachten. Da kuscheln sich Katzen an Pussies, schnuppert eine Antilope am Po des Modells, kauern Dachs und Meerkatze in eindeutiger Haltung zwischen den Schenkeln der Nackten oder hält ein Gorilla Händchen mit einer lasziv in seinen Schritt gebetteten Schönen. Spaß erlaubt sich Mel Ramos auch mit der „klassischen“ Kunst, indem er historische Bilder in Pop Art übersetzt und ergänzt. Amadeo Modigliani nahm er 1974 mit der Serie „You Get More Salami With Modigliani“ auf die Schippe, François Bouchers „Akt auf dem Sofa“ kopiert er um einiges erotischer mit dem Gesicht von Ursula Andress (die übrigens in Ramos´ Werk recht häufig erscheint), Edouard Manets „Olympia“ bekommt Bikini-Streifen, ebenso Dominique Ingres´ „Quelle“, plus Schambehaarung. Ramos: „Ich habe diese alten Bilder einer Reinigung unterzogen – als Bilder haben sie sich nicht verändert, ich habe nur die kunsthistorische Patina beseitigt.“
 
Naturstudien, Portraits, Transfigurationen, Skizzen und die Serie „Unfinished Painting“ kommen in den 70ern bis 90ern hinzu, die „Drawing Lessons“ (eine originelle Kombination aus Pin Up, Kunstreproduktion und Skizze), neue Marken-Pin-Ups (Strellson) und Peek-a-Boos markieren neben einigen Großplastiken nach frühen Arbeiten die 2010er Jahre. 
 
Vom 25. Juni bis 3. Oktober zeigt das Museum Villa Stuck in München die Ausstellung „Mel

© Hatje Cantz
Ramos. 50 Jahre Pop Art“. Vom 1.3. – 19.8.2011 wird die Ausstellung in der Albertina Wien zu sehen sein.
 
Ein angemessen üppiges Katalog-Buch zur Ausstellung ist im Verlag Hatje Cantz erschienen:

Mel Ramos. 50 Jahre Pop-Art
, hrsg. von Otto Letze
Mit Texten von Klaus Honnef, Annette Lagler und Daniel J. Schreiber
© 2010 Institut für Kulturaustausch Tübingen, Verlag Hatje Cantz,
in deutscher oder englischer Sprache zu haben,
280 Seiten, Broschur mit gefaltetem Plakatumschlag,
169 Abbildungen, davon 150 farbig,
ISBN: 978-3-7757-2530-9
19,80 €


Weitere Informationen unter:




The Drawing Lesson No. 5, 2008-09 © Mel Ramos