Das Leben ein Traum

Jürgen Kruse inszeniert einen saftigen Calderon in Köln

von Andreas Rehnolt

Ein greller, wundervoller
Calderon de la Barca in Köln
 
Jürgen Kruse inszenierte am Schauspiel der Domstadt
"Das Leben ein Traum" in knapp vier Stunden
 
Regie: Jürgen Kruse - Bühne: Franz Koppendorfer - Kostüme: Sebastian Ellrich - Dramaturgie: Jan Hein
Besetzung: Basilius, König von Polen: Hartmut Stanke - Zygmunt, sein Sohn: Jan-Peter Kampwirth - Astolf, Herzog von Moskau und Neffe des Königs: Maik Solbach - Stella, Nichte des Königs: Annika Olbrich - Clotald, alter Mann und Wärter Zygmunts: Michael Weber - Rosaura, Dame: Anja Laïs - Clarin, lustige Person und Rosauras Diener: Simon Eckert - Wachen, Soldieres, Musicans: Miriam Berger / Theresa Hupp / Stefanie Puyskens / Vanessa Radman
 
Eine Orgie für Augen und Ohren

Als knapp vierstündige Orgie für Augen und Ohren hat Regisseur Jürgen Kruse am Samstag im Schauspielhaus Köln "Das Leben ein Traum" des barocken spanischen Dichters Calderon de la Barca auf die Bühne gebracht. Und jede Minute weniger in dieser prallen, grellen und vom Bühnenbild und den Kostümen her ebenso genialen Inszenierung wäre schade gewesen. Anja Lais in der Rolle von Rosaura und Jan-Peter Kampwirth als an Realität und Traum fast irre werdender Prinz Zygmunt sind die Figuren, die vor allem im Gedächtnis bleiben.
 
Wie Lais sich vom Russland-Touristen über einen schwertschwingenden Edelmann hin zur Prinzessin Rosaura entwickelt mit all ihren zuckenden Bewegungen sowie schwülstigen und ellenlangen Monologen ist hinreißend - wenngleich auch manchmal schwer erträglich. Wunderbar die Szenen, wenn sie mit herunter geklapptem Visier und mit Schulter- und Beinschiene ehr schleppend in den Zweikampf mit dem untreuen Geliebten Astolf (Maik Solbach) zieht. Beachtlich, was Solbach, Lais und auch Kampwirth an Fecht- und Schwerterkampf auf der mit reichlich Stroh versehenen Bühne leisten.
 
Kongeniales Bühnenbild von Franz Koppendorfer

Fürs Bühnenbild verantwortlich in dem 1635 in Madrid uraufgeführten Stück ist Franz Koppendorfer. Er schuf auf zwei Ebenen einen polnischen Hof, der mit Bett, Bücherregal und unendlich schnell drehender Weltkugel ausgestattet dem forschungsgläubigen König und Vater von Basilius die abgehobene Sphäre verschafft, in der er sich seines vermeintlich gefährlichen Sohnes Zygmunt durch die Verbannung in ein schräg stehendes Turmverlies entledigt. Ein bißchen wie bei Shakespeare läßt er seinen Sohn dann mit Hilfe eines Zaubertranks betäuben und im Schlaf ins königliche Bett befördern.
 
Dort soll er sich bewähren. Entweder er ist geläutert, oder aber er wird schnurstracks ins Verlies zurückbeordert. Letzteres geschieht - doch dann begehrt das Volk gegen den vom König als Nachfolger eingesetzten Russenprinzen auf und holt Zygmunt aus dem Verlies. Der - einmal mehr nicht wissend, was Traum und was Wirklichkeit - setzt sich an die Spitze der Aufrührer und besiegt das Heer des Vaters. Doch entgegen der Annahme des Königs verzeiht der Sohn seinem Vater das Leid und sorgt dafür, daß Astolf sich mit Rosaura vermählt und so deren Ehre wieder herstellt. 
 
Brillant besetzt

Die Randfiguren in Kruses Version sind allesamt hervorragend und bis in die kleinste Nebenrolle überzeugend. Der Diener Clarin etwa - von Simon Eckart selbst als Leiche noch urkomisch gespielt oder die grandios-obszöne Annika Olbrich als Stella, Nichte des Königs, die sich immer und immer wieder mit Asolf dermaßen auf der meist düsteren Bühne sexuell vergnügt, daß König Basilius mehrfach Ruhe für seine Äußerungen einfordern muß. Wunderbar, wie die Erdkugel im Studierzimmer des Königs rotiert, die Kronleuchter auf- und abfahren und die Protagonisten auf mit Rädern versehenen Prunksesseln durch die Geschichte gewirbelt werden.
 
Kampwirth und Lais spielen die Entwicklung im Verlauf des Abends mit sichtlichem Genuß. Überhaupt ist die ungehemmte, manchmal auch überschäumende Spielfreude der Schauspieler Hauptmerkmal des betörenden Theaterabends, der trotz einiger Längen nie unangenehm lang wird. Dafür sorgt nicht zuletzt der Einsatz der Kruse-typischen Rock'n-Roll-Orgel, die zahlreiche Songs über Traum und Wirklichkeit an den passenden Stellen einspielt und die Zuschauer zum Mitwippen in den Sitzen einlädt.
 
Saftige Charakterbilder

Wenn bei Calderon die Figuren um moralisch vermeintliches richtiges Handeln bemüht waren, sind sie in der Kruse-Fassung des Stücks ehr feige, faul und egoistisch nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Grandios wird das in der Rolle des alten Clotald deutlich, der nicht nur der Wärter von Zygmunt ist, sondern auch der Vater von Rosaura. Schon fast ein wenig zu heftig rückt der Alte da seiner Rosaura an die Wäsche, als er ihr verspricht, ihr bei ihrer Ehrenrettung beizustehen.
 
Am Ende der Tragikomödie von der verbesserungswürdigen Schlechtigkeit des Menschen tanzt das Ensemble ausgelassen und feiert Leben und Theater. Und ganz am Schluß gibt´s - inzwischen wieder typisch für Köln - minutenlangen echt gemeinten, lautstarken Applaus, in den sich neben unzähligen Bravo- und Super-Rufen auch einige Buhs mischen.
 
Weitere Informationen unter: www.schauspielkoeln.de
 
Redaktion: Frank Becker