Vom Nutzen des Erfindergeistes

Eine Glosse

von Jürgen Kasten
 
Ja! Das ist es!


Die innovative Erfindung
für jeden kritischen TV-Kunden
 
Ich stand schon auf dem Dach und hätte es tun können. Besonders schwer fiel es mir nicht. Nur das Flurfenster war zu öffnen, ein beherzter Schritt und…
Herrliche Aussicht von hier oben. Die Kirchturmspitze im Tal funkelte golden. Wahrscheinlich die Kupferschindeln, die das Sonnenlicht reflektierten. War mir noch nie aufgefallen. Mehr war leider nicht zu sehen. Die Baumwipfel versperrten die weitere Sicht. Das Garagendach war einfach nicht hoch genug, um die ganze Pracht zu genießen.
Nun stand ich dort, unschlüssig. Ein Tritt nur und die SAT-Schüssel wäre hin gewesen. Aber was ist mit den Kultursendungen?, schoß es mir durch den Kopf. Nie mehr ARTE, 3-Sat oder die neuen HD-Infokanäle. Will ich wirklich darauf verzichten? Nur weil alle anderen mich belästigen, meinen Intellekt beleidigen? Nein, so einfach darf ich es mir nicht machen. Was aber tun? Den alten Fernseher mit der ausklappbaren Zimmerantenne aus dem Keller holen? Dann gibt es nur noch verrauschte ARD. Die vielen Kitschserien und Shows mit immer den gleichen Visagen sind auch nicht gerade aufbauend.
Die Lösung lag als Beilage im Wochenendwerbeblättchen – der TV Hobel, Edelstahl, rostfrei. Von 39,99 auf 19,99 runtergesetzt. Wenn das kein Schnäppchen ist.


Ich stelle mir vor: Schmalzige Dialoge in schottischer Hochglanzlandschaft, schnell den TV Hobel angesetzt, ruppig durchgezogen und schon hat das ganze ein paar Tiefen und Kanten. Ein Welt-, Frauen- und überhaupt Allesversteher als Talkmaster – den TV Hobel schief drüber ziehen und holperige Kerben machen es erträglicher. Geschwätzige Kommentatoren – TV Hobel dran und Span für Span auf das Nötige reduzieren. Nach gelungenem Tagwerk noch einmal die  Sender nach Interessantem durchzappen – zwecklos, überall nur Köche, die mir die Suppe versalzen. Den TV Hobel her – und weg damit.
Ja, auf dieses nützliche Werkzeug haben viele gewartet. Deshalb jetzt zugreifen, nur solange der Vorrat reicht.



© Jürgen Kasten - Erstveröffentlichung 2010 in den Musenblättern