Wir haben alle eine Vorstellung dessen, was in unserem eigenen Sinn und für unseren ganz subjektiven Geschmack das Ideal sei. Alle. Unser aller Augen ruhen mit Wohlgefallen und unverhohlener Lust auf der Abbildung des Schönen, sei es eine erhabene Landschaft, eine schöne Blume, ganz besonders aber wenn der Künstler sich zu diesem Zweck der ästhetischen Darstellung des unbekleideten Körpers bedient. Niemand spreche sich davon frei. Der französische Maler William Adolphe Bouguereau (1825-1905), Lehrer von Henri Matisse und geradezu archetypischer Vertreter des Fin de siècle, drückte in seinen opulenten Tableaus und Allegorien aus, wie sich die Gesellschaft das weibliche Ideal seiner Zeit vorstellte. Edel in Erscheinung und Wuchs, zugleich vornehm und keck im Blick, Lippen, die geküßt werden wollen und Brüste, die sich fordernd recken, von einer gewissen Pikanterie und und kaum verborgener Erotik, doch den Seiltanz zwischen provokant und keusch perfekt ausbalancierend.
So hätte sich die eigene Frau oder Tochter niemals präsentieren dürfen "Mon dieu!", doch so erträumte man sich anno dunnemals zwischen Plüsch und Pleureusen die hochgeschlossen züchtig verhüllte Gattin oder die heimliche Geliebte. William Adolphe Bouguereau, als akademischer Maler anerkannt und durch den inhaltlichen Rückzug auf Klassik und Mythologie unangreifbar, eroberte mit seinen erotischen Phantasien die Galerien und Salons, wurde mit seinen Allegorien, Historienbildern, religiösen Tableaus, an Kaulbach erinnernden idealisierenden volkstümlichen Motiven, vor allem aber durch seine sinnlichen Akte ein wohlhabender Mann. Wir haben einige Beispiele zusammengestellt.