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Die Kolumne am Mittwoch

von Friederike Zelesko

Foto © Frank Becker

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Die Kolumne am Mittwoch
von  Friederike Zelesko
 

Die Insel Baltrum ist nah. Ich sehe sie vom Festland aus - ein schmaler Streifen am Horizont. Sie winkt: „Komm doch mal rüber.“
            Das Fährschiff bewegt sich sanft und leicht im Wellengang. In der Fahrrinne kräuselt sich weißer Schaum. Das Meer markiert für einen Augenblick die Fahrt, dann schließt es sich wieder und wird unerreichbar. Möwen umkreisen das Schiff mit einem riskanten Flugmanöver - über die Köpfe der Passagiere hinweg. Die Fähre nimmt Kurs auf die Ostspitze der Nachbarinsel Norderney, vorbei an der großen Seehundbank. Wie kleine Hügel liegen die Seehunde in der Sonne.
            Die Mole des Hafens auf Baltrum ist bald erreicht. Auf der Insel weht eine steife Brise, zeigt aber ein freundliches Wettergesicht. Eine Pferdekutsche wartet  bereits und das Gepäck wird auf den Anhänger der Kutsche geladen. Wie zu Großmutters Zeiten traben die Pferde gemächlich auf den Strandhof zu.
            Sehr früh am Morgen höre ich das Krächzen der Elstern vor meinem Fenster. Dünenblick – dahinter das Meer, das Strandleben. Überall hoppeln Hasen durch Grasbüschel. Fasane laufen schnell über den Dünensand. Noch ist der Himmel blau, aber mit dunklen Schatten. Schlechtes Wetter kündigt sich an, und die Wolken legen sich über den Heller. Niemanden kümmert das. Der Wind schiebt die Wolken bald wieder weg.
            Ich spaziere durch das Westdorf. Es gibt keine Straßennamen. Alle Häuser sind numeriert. Das älteste Haus ist Nummer neun, das letzte dreihundertundsieben. Der Weg führt an der alten Inselkirche vorbei. Sie hat keinen Turm und ist ein Rundbau, in dem sich der Altar befindet und einige Kirchenbänke, die nur im Winter besetzt sind. Im Sommer sitzt man in der Sommerkirche, einem Vorhof, mit einer kleinen Wiese in der Mitte. Rechts und links gibt es ein paar Stuhlreihen. Die Tore des Rundbaus sind dann geöffnet, sodaß der Blick auf den Altar frei ist. Am Sonntag, beim Morgengottesdienst, scheint die Sonne auf die Rücken der Gläubigen. Es ist alles durchdacht.
            Ein poröser Stein liegt auf dem Strand – inmitten vieler Herzmuschelschalen. Er ist noch naß von der Flut. Er ist so groß wie meine Faust und das Meer hat ihn glatt poliert. Er ist mit Löchern übersät. In einem der Löcher steckt ein leeres Schneckenhaus. Es ist wunderschön - eine Spirale aus weißem Kalk mit braunen Rillen die schwungvoll auf die Spitze zulaufen. Ein seltsamer Fund - ich genieße die schöne Form, die auch als Strandgut nichts von ihrem Zauber eingebüßt hat.
            Ich werde noch ein paar Tage bleiben denke ich und „was kümmert mich der Schiffbruch der Welt, ich weiß von nichts als meiner seligen Insel.“




© Friederike Zelesko - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2010