Konrad Beikircher
Musikstunde Eine Plauderei über den Tenor
Anton Raaff und seine Zeit (2) In Madrid und mit Farinelli hat unser Anton Raaff also eine schöne Zeit mit grandiosen Erfolgen erlebt.
Vier Jahre bleibt er dort. Es geht ihm wunderbar, die Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung zum Beispiel schreibt: ”Sein Gehalt war ansehnlich, er wurde auf Kosten des Hofes gut gespeiset und prächtig meubliert” und dem Geld, das ihm der königliche Diener brachte, lag auch schon die Quittung bei, so daß er ”also nichts, als die fünf Buchstaben - seines Namens beyzusetzen hatte”. 1759 aber, nach dem Tode des Königs, verlassen Farinelli und Raaff Spanien, um nach Italien zu gehen.
Während sein Freund Farinelli in Bologna bleibt, tritt Raaff in diversen Orten auf außer in Rom, weil die ‘collarini’ wie er sie nannte, die ”Bäffchen” müßte man das wohl übersetzen, einst seinen Lehrer Bernacchi ausgezischt hatten. Er ist am Königshof von Neapel und der dortigen Oper und er ist auf dem Höhepunkt seines Könnens. Hier lernt er Johann Christian Bach kennen und singt den Catone in Bachs ‘Catone in Utica’ mit großem Erfolg. Und Bach schreibt eigens für Raaff zwei Motetten, vor allem aber einen ‘Smash Hit’, der noch Jahre später auch Mozart äußerst beeindruckte: die Arie ‘Non so, donde viene’, eine Arie mit der Raaff bis ins hohe Alter brillierte.
1769 ist er in Florenz, seine Karriere beginnt sich zu neigen, Anton Raaff ist immerhin 55 Jahre alt, Zeit für einen Tenor, Memoiren zu schreiben oder in Sendungen à la ”Das war mein Leben” aufzutreten, da ereilt ihn der Ruf des Kurfürsten Carl Theodor aus Mannheim und das bewegte Leben unseres Jungen ussem beschaulichen Holzem bekommt - zumindest aus der Sicht der Nachwelt - einen Kick, den man nicht mehr für möglich gehalten hätte.
Just, als Anton Raaff sicher schon die ersten biographischen Aufräumgedanken hat, ereilt ihn ein Ruf. Nicht etwa irgendein Ruf, sondern der Ruf des Kurfürsten Carl Theodor nach Mannheim, einer der berühmtesten Bühnen deutscher Zunge mit dem, wie viele Zeitgenossen sagen, besten Orchester der Welt. Christian Friedrich Schubart schreibt 1806 in seinen - übrigens äußerst lesenswerten - ”Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst” (S.130):
”Kein Orchester der Welt hat es je in der Ausführung dem Mannheimer zuvorgethan. Sein Forte ist ein Donner, sein Crescendo ein Catarakt, sein Diminuendo - ein in die Ferne hin plätschernder Krystallfluß, sein Piano ein Frühlingshauch. Die blasenden Instrumente sind alle so angebracht, wie sie angebracht seyn sollen: sie heben und tragen, oder füllen und beseelen den Sturm der Geigen.”
Überwiegend ein Werk von Ignaz Jacob Holzbauer, der als Capellmeister ”das meiste zur Vollkommenheit dieses Orchesters” beitrug, wie Schubart schreibt.
Es war also kein Gnadenbrot, das unseren Anton Raaff in Mannheim erwartete und das wußte er auch.
Er singt eine Titelpartie nach der anderen in Opern von Johann Christian Bach, Niccolò Jomelli, Nicola Piccinni und Ignaz Holzbauer, dessen Oper ”Günther von Schwarzburg” als eine der ersten deutschen Opern den Umbruch in der Operngeschichte ahnen ließ, selbst wenn die Oper selbst noch sehr italienischen Vorbildern verhaftet ist. In einer der Proben - Raaff feierte als 63-jähriger Tenor in der Titelpartie Triumphe - saß im November 1777 ein junger Mann, der über unsern Tünn so urteilte:
”h: Raaff hat unter 4 arien und etwa beyläufig 450 täct eimahl so gesungen, daß man gemerckt hat, daß seine Stimme die stärckste Ursach ist, warum er so schlecht singt. Wer ihn eine Arie anfangen hört und nicht in demselben Augenblick denckt, daß Raaff, der alte vormals berühmte Tenorist singt, der muß gewiß von ganzem Herzen lachen. Denn es ist halt doch gewiß: ich habe es bei mir selbst bedenckt: wenn ich iezt nicht wüßte daß dies der Raaff ist, so würde ich mich zusammen biegen vor lachen, so aber - - - ziehe ich nur mein Schnupftuch heraus und schmutze. Er war auch sein Lebtag, wie man mir hier selbst gesagt hat, kein Akteur; man mußte ihn nur hören und nicht sehen. Er hat auch gar keine gute Person nicht. In der opera mußte er sterben, und das singend, in einer sehr langsamen Aria, und da starb er mit lachendem Munde. Und gegen Ende der Aria fiel er mit der Stimme so sehr, daß man es nicht aushalten konnte. Ich saß neben dem (1. Flötisten Johann Baptist Wendling) im Orchestre. Ich sagte zu ihm, weil er vorher critisierte, daß es unnatürlich seye, so lange zu singen, bis man stirbt, man kanns ja kaum erwarten. Da sagte ich zu ihm: haben sie eine kleine Geduld, iezt wird er bald hin sein, denn ich höre es. Ich auch, sagte er, und lachte.”
Sie haben es am Stil des Briefes sicher schon gemerkt: Wolfgang Amadè Mozart ist sein Autor.
Gut: vielleicht wollte Mozart seinen Vater Leopold, dem er das schrieb, etwas ärgern, weil der ihm dauernd in den Ohren lag, er solle sich in Mannheim an Herrn Raaff halten und nur an ihn, wenn er bei Hofe etwas erreichen wolle, denn Raaff sei ”ein Gottsförchtiger, ehrlicher Mann”, der ”die Deutschen liebt” und so weiter. Mozart wollte sicher mehr geschätzt denn protegiert sein, da mag es den jungen Komponisten schon genervt haben, dauernd zu hören, er solle sich an einen ‘abgehalfterten’ Tenor hängen, um zu reüssieren.
Um den Rest der Geschichte zu erfahren, schalten Sie doch bitte auch am kommenden Dienstag ein – dann erzähle ich Ihnen ein bißchen mehr über Raaff und Mozart. Und auch ein ganz klein wenig Klatsch und Tratsch um Aloysia Weber... Neugierig? Dann bis in einer Woche!
Ihr
Konrad Beikircher
© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2010
Redaktion: Frank Becker
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