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Die Kolumne am Mittwoch

von Friederike Zelesko
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Die Kolumne am Mittwoch
von  Friederike Zelesko


Wenn es der Zufall will und ich auf einer noch nicht asphaltierten Straße wandere, und mein Schritt Staub aufwirbelt, dann bin ich sicher, daß mein Blick auf den Boden gerichtet ist. Auf der Suche nach einem Stein, der mir von der Form her gefällt, an dem ich herumrätseln könnte, von welchem Berg oder aus welcher Tiefe der Erde er wohl stammen möge. Ich stelle keine besonderen Ansprüche an Farbe und Größe der Steine. Nein - irgendetwas müßte mich reizen, sie auf meine Hand zu legen, die Beschaffenheit der Oberfläche zu befühlen, die darin gespeicherte Wärme der Sonne, die Frische einer Regennacht. Ich stelle ihre Härte fest, ritze sie mit dem Fingernagel oder einem anderen Stein.
            Der Sandstein ist weich, läßt sich gut bearbeiten ist ein Naturstein, der schon seit jeher als Baustein benutzt wird. Bricht man ihn auf, findet sich innen nur eine andere Sandsteinschicht, die sich vielleicht nur farbig unterscheidet. Hat ihn ein Flußbett geschliffen, kann er sogar schön sein. Es scheint mir, als wäre der Sandstein der Ungeduldigste von allen Steinen und die Zeit ist ihm böse wegen seiner Rastlosigkeit und geizt darob mit Schätzen. Er wird so bleiben wie er ist, brüchig, sich den Baumeistern anbietend - den Steinmetzen, die ihm eine Form geben, ein Gesicht, das die Zeiten überdauert.
            Überall stolpere ich über Steine mit scharfen Kanten, die meine Füße verletzten, wären sie nicht durch die Schuhe geschützt. Ihre Form ist bizarr und gewaltsam im Fels geschaffen worden. Sie schmücken sich mit einem Glitzern. Durchbrochene Goldadern lassen sie wertvoll erscheinen. Mit diesem Gehabe fallen sie auf. Sie ziehen mich magisch an. Ich hebe sie auf, drehe und wende sie. Ich schlage sie mit ihresgleichen auf, stelle aber keine Veränderung fest. Sie sind innen genauso bizarr. Alles was es zu sehen gibt, zeigen sie. Ich werde ihres Anblicks müde und werfe sie zurück auf die Straße. Es gibt aber auch noch andere Steine, mit den verschiedensten Härtegraden und ich müßte schon Gewalt anwenden, um in sie hineinzusehen. Sie sind hart geworden durch die Zeit doch fühlen sich fast samtartig und edel an. Ihre Farbe ist nicht auf den ersten Blick schön. Erst wenn ich sie näher betrachte, erkenne ich feine, bunte Adern, silberne Kristalle. Fast unmerklich zieren die ihren abgeschliffenen Mantel und strömen alle nach innen, dem Kern zu. Solche Steine aufzubrechen bedarf eines besonderen Werkzeugs, um an den Schnittflächen keine der eingeschlossenen Empfindungen zu zerstören.
            Ich könnte mir vorstellen, daß ein begnadeter Bildhauer ein solches Werkzeug besitzt. Wäre es sonst möglich, einem Stein die Form zu geben, die er in sich trägt? Und wie sehr müssen jene leiden, wenn sie sich irren und vor den Trümmern ihrer Ideen stehen. Zu den Steinen hat einer gesagt: Seid menschlich. Die Steine haben gesagt: Wir sind noch nicht hart genug.



© Friederike Zelesko - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2010