Es war eine köstliche Zeit

Der Waffenschmied in Annaberg-Buchholz

von Alexander Hauer
Annaberg-Buchholz
 
Der Waffenschmied
Komische Oper von Albert Lortzing
 

Es war eine köstliche Zeit
 
Man muß weit reisen, um Lortzing hören zu können, ganz stiefmütterlich wird er von den großen Häusern behandelt, als braver, leichter Komponist angesehen, der nur zur Unterhaltung dient. Seine Werke hätten keinen Tiefgang, seine Melodien seien simpel gestrickt und er wäre der klassische Komponist des Kleinbürgertums. So geriet Lortzing immer mehr ins Abseits und wurde fast aus allen Spielplänen verdrängt. Die großen Häuser spielen ihn fast gar nicht, die mittleren kaum, ab und an

Foto © Dieter Knoblauch/Theater
mal einen Zaren, aber das war’s. Lortzing sei zu biedermeierlich, so brav deutsch. Aber stimmt das? Ist Lortzing nicht genauso gesellschaftskritisch wie der hehre Revoluzzer Wagner? Birgt sein Werk nicht den versteckten Aufruf zum bürgerlichen Ungehorsam, stellt er nicht den Adel und das um 1800 aufkommende bornierte Geldbürgertum bloß? In seiner Zeit, die industrielle Revolution zeigte schon ihre häßliche Seite:, Proletarisierung, Landflucht und Entfremdung von der Arbeit, zeichnete er ein besseres Bild, glückliche zufriedene Menschen, deren Konflikte auch ohne Kadi zu lösen sind. Dabei blieb er immer distanziert, er malte seine Vision eines besseren Lebens, ohne dabei den Zeitbezug zu verlieren.

In Annaberg-Buchholz, jenem kleinem, feinem Bürgertheater aus dem vorletzten Jahrhundert steht mit Ingulf Huhn ein bekennender Lortzingianer an der Spitze. Und so geriet seine Inszenierung des Waffenschmiedes nicht zur Pflicht, sondern avancierte zur Liebhaberarbeit. Das schöne, variable Einheitsbühnenbild von Tilo Stadte vermittelt  in warmen Holztönen durchaus die Enge des mittelalterlichen Worms, ohne einen direkte Ortsbezug zu nehmen. Entsprechend waren die Kostüme von Anna Maria Polldrack und Erika Lust ebenso stimmig. Naoshi Takahashi leitete die

Foto © Dieter Knoblauch/Theater
Erzgebirgische Philharmonie Aue souverän, der durch einen Extrachor verstärkte Hauschor unter Uwe Hanke bestach durch Spiellust und Beweglichkeit. Mit Markus Sandmann hatte Huhn einen spitzbübischen, aber auch komischen Georg zur Hand, der sängerisch wie spielerisch die Rollenerwartung gänzlich erfüllte. Tatjana Conrad gibt keine altertümlich verbiesterte Irmentraut, sondern eine Frau, die mitten im Leben steht, und den Freuden des Lebens auch nicht abgeneigt ist. Ihr wohlklingender Mezzo überzeugt genauso wie ihr schauspielerisches Talent. Desgleichen gilt für den Baß Leander de Mol. Voller Spiellaune charakterisiert er den am Ende düpierten Vater als einerseits liebevoller Polterer, andererseits als selbstbewußter, von sich selbst überzeugter, Bürger. Durch geschickte Strophenumstellung in seinem „Jünglingslied“ gelang es Huhn, aktuelle tagespolitische Themen einzuflechten, ohne das Werk zu sabotieren. Der junge Baß Lázló Varga gibt den schwäbischen Ritter Adelhof mit ungarischer Verve, Akzent und Charme. Zusammen mit Matthias Stephan Hildebrandt als Brenner deckt er fabulös den komischen Teil des Abends ab.
Einen gelungenen Fachwechsel machte Jason-Nandor Tomory, der aus Coburg ins Erzgebirge kam. Sein Graf Liebenau, da ja gleichzeitig auch der Schmiedegesell Konrad ist, war ein schauspielerisches Meisterstück. Sein klug geführter Bariton füllte das Haus mit reinstem Wohlklang. Madeleine Vogt war ihm da eine ebenbürtige Marie. Aus den „Armen kleinen Mädchen“ machte sie ein Kabinettstückchen voll hintergründigem Charme.

Ingulf Huhn inszenierte mit scheinbar leichter Hand ein nur scheinbar leichtes Stück. Die Sozialkritik Lortzings wird, im Sinne des Komponisten, unterschwellig unterbreitet. Von Lortzing selbst ist ein Wort überliefert:“ Einige meiner Opern bereiten vielen ehrlichen Seelen angenehme Stunden“ In Annaberg-Buchholz hat sich dieses Wort gänzlich erfüllt, es war einen köstliche Zeit.

Bilder von Dieter Knoblauch

Redaktion: Frank Becker