"Van Eyck bis Dürer"

Groeningenmuseum in Brügge zeigt den Austausch europäischer Künstler gegen Ende des Mittelalters

von Andreas Rehnolt
Brügge zeigt
"Van Eyck bis Dürer"
 
Faszinierende Ausstellung im Groeningenmuseum zeigt
die gegenseitige Befruchtung
europäischer Künstler
gegen Ende des Mittelalters
 
Unter dem Titel "Van Eyck bis Dürer" zeigt das Groeningenmuseum im belgischen Brügge seit dem vergangenen Wochenende eine faszinierende Ausstellung mit überwiegend biblischen Darstellungen der Heilsgeschichte, die gegen Ende des Mittelalters vor allem von niederländischen Künstlern wie Jan van Eyck mit einer gänzlich neuen Intensität veranschaulicht wurden. Die bis zum 30. Januar nächsten Jahres laufende Schau beleuchtet nach den Worten von Kurator Till-Holger Borchert die gegenseitige Befruchtung europäischer Künstler in dieser Zeit.
Die kunsthistorische Ausstellung ist eine einzige Augenweide. Aus über 80 Museen oder privaten Sammlungen aus aller Welt schafften es Borchert und seine Mitkuratorin Antje Fee Köllermann Exponate zu besorgen, die beleuchten, was genau diesen Einfluß ausmachte. Vom heutigen Deutschland bis Österreich und Böhmen, von Ungarn bis Transsylvanien, von Polen bis zu den Hansestädten und der baltischen Region: Alle gerieten unter Einfluß von van Eyck und seinen Kollegen aus der Riege der "flämischen Primitiven", wie sie genannt werden.
 
Nach den Worten von Köllermann kombinierte van Eyck etwa um 1430 herum technisches Können

Jan van Eyck - Porträt einer unbekannten
Frau © Museo Thyssen Bornemisza Madrid
mit einem bis dahin unbekannten Realismus, der unmittelbar darauf bereits in ganz Europa gerühmt wurde. "Kunst läßt sich bekanntlich nicht von Staatsgrenzen einschränken", so Borchert zum Auftakt der Schau, die nach Aussagen der Veranstalter bis Ende Januar 2011 zusätzliche 150.000 Besucher aus dem In- und Ausland in die flandrische Stadt holen soll.
Manche der Exponate schmerzen fast beim Betrachten. So etwa das Bild "Beschneidung Christi" aus dem Jahre 1430 vom Meister des Tucher Altars. Wie der Beschneider da das blutige Messer ansetzt und den Schnitt vollzieht, das macht einen schon Schaudern. Oder das Bild vom Barbara-Altar, das ebenfalls mit einer bis dahin nicht gekannten Drastik die Leiden Christi ins Bild setzt. Einer der Schergen schlägt mit dem Hammer auf seinen Kopf, ein zweiter setzt ihm den Dolch an die Kehle.
 
Reisen in der Zeit von van Eyck und Dürer war nicht nur teuer, sondern auch zeitaufwendig, gefährlich und schwierig. Und dennoch gelang es immer wieder, daß Maler ein sie kolossal beeindruckendes Werk zumindest in Ansätzen mit in die eigene Heimat brachten. Manche, so Borchert, hatten wohl die Chance, bei einem der Meister in den Niederlanden zu arbeiten, andere hatten eventuell mal ein Original, eine Zeichnung oder sogar einen Kupferstich abgemalt. Nach Darstellung der Kuratoren handelte es sich dabei jedoch nicht um ein bloßes Kopieren. Vielmehr wurden die Werke etwa von van Eyck oder anderen seiner Zeitgenossen in Bezug zur eigenen Heimat oder zum eigenen Schaffen gesetzt. Nachdem um 1450 herum der Kupferstich als Kunstform attraktiv und anerkannt wurde, hatten Nachahmer häufig ein Motiv zur Vorlage, an dem sie sich künstlerisch orientieren konnten.
 
Die sehenswerte Ausstellung in Brügge gibt zahlreiche Beispiele dafür und zeigt, daß viele anonyme Meister ihren Vorbildern wie van Eyck, Hans Memling, Veit Stoss, Stefan Lochner, Holbein oder Rogier van der Weyden in nichts nachstanden. Manchmal ist es schon verblüffend, wie schnell Bilder berühmter Maler aus den Niederlanden kopiert wurden. Martin Schongauer etwa hatte die niederländische Malerei studiert und dem eigenen Herrscherbild in Bayern angepaßt. So malte er unter anderem die "Anbetung der Hirten" so, daß er die Protagonisten mit langen, lockig gewellten Haaren zeigte, wie sie in den Niederlanden völlig untypisch waren. Zudem wählte er bei einem seiner Könige eine Kopfbedeckung mit den blau-weißen Farben seines Landesherrn. Ein anderes Beispiel

Albrecht Dürer, Portrait eines unbekannten
Mannes © Nacional del Prado, Madrid
ist das wunderschöne Bild von Derick Baegert mit dem Titel "Der Evangelist malt die Muttergottes", das um 1480 entstand. Rund zehn Jahre später schuf Rogier van der Weyden das Bild "Der Heilige Lucas malt die Madonna". Man sieht: Die Einflüsse gingen nicht nur in eine Richtung, sondern fanden schon in beiden Richtungen statt, wie Köllermann zum Auftakt der Schau erklärte.
 
Zu den Höhepunkten in Brügge zählen sicherlich "Der Kalvarienberg" aus dem Jahr 1510 vom Meister der Brügger Passsions-Szenen, der nach einem Kupferstich von Albrecht Dürer von 1496 entstand. Ganz am Ende der Ausstellung finden sich Kunstwerke allerersten Ranges. Der "Heilige Bischof" von Tilman Riemenschneider von 1515, das atemberaubende Cruzifix von Veit Stoss von 1490 und Dürers "Heiliger Hieronymus" von 1521 in Öl wie auch als Kupferstich. Und gleich daneben prangt ein noch im gleichen Jahr gefertigter Hieronymus von Joos van Cleve, der sich an Dürer orientierte.
Sicherlich einzigartig und nur ganz selten zu sehen auch ein Porträt von Dürer, das seinen Vater zeigt und nicht zuletzt eine Federzeichnung Dürers aus dem Jahr 1521, die neun Studien des Heiligen Christopherus zeigt. Vielleicht wäre es für die Besucher lohnenswert, die bis zum 30. Januar 2011 laufende Schau nicht vom Anfang, sondern von ihrem Ende her zu entdecken. Schade nur, daß von dem Namensgeber der Ausstellung, van Eyck, diesmal in Brügge nur ganze drei Werke zu sehen sind.
 
Die Ausstellung im Groeningemuseum in Brügge ist täglich von 9.30 bis 18 Uhr geöffnet. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen: Till-Holger Borchert (Hg.), Antje-Fee Köllermann (Hg.) „Van Eyck bis Dürer“ - Altniederländische Meister und die Malerei in Mitteleuropa, 544 Seiten, 24 x 30 cm, ca. 350 farbige Abbildungen
ca. € 59,95, CHF 93,90, €/A 61,70  -  ISBN 978-3-7630-2579-4

Weitere Informationen unter: www.belser-verlag.de  und  www.brugge.be  
 
Redaktion: Frank Becker