Alle Register der grotesken Komik

Drei Einakter Anton Tschechows im WTT Remscheid

von Frank Becker
Alle Register der grotesken Komik
 
„Eine Krise kann jeder Idiot haben. Was uns zu schaffen macht, ist der Alltag.“
(Tschechow)
 
Drei Einakter Anton Tschechows zu seinem 150. Geburtstag
(Das Jubiläum, Der Bär und Der Heiratsantrag)
 

Das werte Publikum darf eine gute Viertelstunde vor Beginn der Vorstellung eintreten, Platz nehmen und bekommt sozusagen als „amuse gueule“ die angespannte Atmosphäre einer kleinen Theatertruppe in der Garderobe vor der Vorstellung serviert: Lockerungs- und Sprechübungen, konzentriertes Warten, leise Konversation, Kostüm-Korrektur.
Drei Einakter von Anton Pawlowitsch Tschechow stehen auf dem Programm, man wird ohne Pause spielen und die zwei Damen und zwei Herren des Ensembles stehen vor der Aufgabe, nach schnellem Kostüm- und Charakterwechsel in die jeweils neue Rolle zu schlüpfen. Kristina Otten, Verena Sander, Thomas Ritzinger und Daniel Thierjung, soviel sei vorausgeschickt, bewältigen das im schauspielerischen Akkord bravourös und souverän.
 
Der Heiratsantrag

v.l.: Thomas Ritzinger, Daniel Thierjung, Verena Sander - Foto © Claudia Sowa
 
Thomas Ritzinger gibt den ansteckend übernervösen Iwan Wassiljevitsch Lomow, der aus Gründen des Alters und der benachbarten Liegenschaften um die sympathisch burschikose Natalja Stepanowna (ganz reizend Verena Sander) anhalten möchte, wobei er sich dabei heillos in Kaskaden aus Wasserkrügen ersäuft und sich beide vice versa in Prinzipienreitereien verheddern. Ein Übriges leistet polternd Daniel Thierjung als Schwiegervater in spe Stepan Stepanowitsch Tschubukow. Turbulent, mit zunehmendem Tempo und Temperament entwickelt sich Tschechows herrliche Heiratsgroteske („Hol ihn zurück!“) bis zum Champagner-Schluß.





 
Der Bär
 

D. Thierjung, Kristina Otten - Foto © Claudia Sowa
Seit einem Jahr trauert die junge Witwe Jelena Iwanowna Popowa (Kristina Otten) um ihren zu Lebzeiten höchst untreu gewesenen Mann und will sich in ihren vier Wänden begraben, um ihm ihrerseits ewig treu zu sein. Das kann natürlich nicht gut gehen, es handelt sich schließlich um eine Groteske. In der Tat: Gutsbesitzer Grigori Stepanovitsch Smirnow (Thierjung) platzt mit der Forderung um die fällige Rückzahlung von 1.200 Rubel in ihre Klausur und beschließt trotzig nicht zu weichen, bis sie bezahlt hat. Der Kampf zweier hartnäckiger Geister gipfelt gar in Vorbereitungen zum ungleichen Pistolenduell: „An die Barriere!“ - wendet sich peu á peu aber zum Ringen des libidösen Verlangens, dem beide schließlich lustvoll erliegen. Kristina Otten überzeugt göttlich als wankelmütig hassendes Weib.
 
Das Jubiläum
 
Hier nun zieht die Theater-Truppe des WTT in Vollendung sämtliche Register der grotesken Komik. Eine Bank soll ihr Jubiläum feiern, der dandyhafte Direktor Siputschin (Ritzinger) bereitet sich auf seine Festrede vor, die der völlig verschnupfte und genervte Buchhalter Nikolaewitsch (Thierjung) auf Biegen und Brechen fertig stellen muß, aber nicht kann, da die völlig überdrehte Gattin des Direktors (Otten), die ohne Punkt und Komma redet, und eine Kundin, die das Geldinstitut mit einer Wohlfahrtsbehörde verwechselt und ebenfalls ohne jede Denkpause quasselt, jede sinnvolle Arbeit verhindern. Das steigern die vier Darsteller bis zum Slapstick, zum wörtlich zu nehmenden Drunter und Drüber, bis dem Publikum die Lachtränen aus den Augen schießen.
Claudia Sowa hat den köstlichen Spaß im Westdeutschen Tournetheater Remscheid (WTT) punktgenau in Szene gesetzt, die Kostüme von Lolita Erlenmaier und das Bühnenbild von Peter Strieder unterstreichen die Effekte der höchst amüsanten Inszenierung.      
 
Nächste Aufführungen:
Samstag, 13.11. und  Sonntag, 14.11.2010, Samstag, 20.11. und Sonntag 21.11.2010
Schloß Burg – Rittersaal, jeweils 18 Uhr 
 
Eintritt: 22,00 / 15,00 / 10,00 Euro je nach Platz (und Sicht)
Kartentelefon 02191-32285
Weitere Informationen unter: www.wtt-remscheid.de