Von der Freiheit der Berge

Reinhold Messner - "Gebrauchsanweisung für Südtirol"

von Frank Becker
Von der Freiheit der Berge

Er hat die Welt gesehen, alle Achttausender bestiegen, Arktis und Antarktis durchmessen und auf sämtlichen Kontinenten unseres Planeten Abenteuer bestanden. Doch über Südtirol und seine Berge sagt der
Grenzgänger und seit Edmund Hilary wohl weltbekannteste Bergsteiger Reinhold Messner mit glaubhafter Überzeugung, daß man dort die größte Schönheit der Erde, die unvergleichlich schönsten Berge findet. Man nimmt es ihm sogar ab, denn der 1944 im Südtiroler Brixen geborene Alpinist wirkt in seinem 200 Seiten Starken Bändchen "Gebrauchsanweisung für Tirol" authentisch.

Messner führt anders als andere an ein, sein Land heran: er kann dazu seine Lebenserfahrung als geborener Südtiroler und als Kosmopolit in die Waagschale werfen. Was er neben der mit spürbarer Heimatliebe herrlich beschriebenen Bergwelt zwischen Reschenpaß uns Sexten, Salurn und Hochgall nicht vergißt, ist der seit der Annexion Südtirols 1918 durch Italien schwelende Konflikt zwischen der weitgehend autonomen Region und der italienischen Zentralregierung. Man liest deutlich heraus, daß Messner selbst, aber auch ein großer Teil der deutschsprachigen Bevölkerung nicht immer ganz glücklich mit der Einflußnahme durch den Staat sind - um es milde zu formulieren. Er erkennt aber auch an, daß man versucht, die Südtiroler Autonomie weitgehend zu bewahren. Doch von den Italienern auf die Spitze getriebene Streitfälle wie jüngst das Debakel über deutschsprachige Beschilderungen von Wanderwegen, der "Toponomastik-Streit" heizen den Unmut der im Grunde mit ihrer zweisprachigen Situation nicht unzufriedenen Südtiroler immer wieder an. Oder sollte man "dreisprachig" sagen? Die Ladiner sind nämlich mit 30.000 die kleinste, aber anerkannte Sprachgruppe.

Aber zurück zum Hauptanliegen des kleinen Bandes: der Präsentation eines von der Natur beschenkten Landes, in dem das Korallenmassiv der Dolomiten als sicher auf der Welt einzigartiges Naturwunder das Herzstück der herrlichen Bergwelt ist. Messner gibt auch einen kurzen Abriß der Geschichte von der durch den Fund des Gletschermenschen "Ötzi" auf dem Similaun belegten Vorgeschichte über die Habsburger, Andreas Hofer und Mussolini bis heute. Er erwähnt die vielen Superlative des verhältnismäßig kleinen Landes, darunter die enorme Dichte von Burgen und Schlössern, von denen etliche heute soweit wieder hergestellt sind, daß man sie besuchen kann. Messner selbst hat Anteil daran, denn sein an fünf Plätzen gebautes "MMM - Messner Mountain Museum" hat sein Kernstück auf der Burg Firmian. 

Das durch seine Topographie klimatisch bevorzugte Südtirol ist seit Jahrzehnten als Paradies für Wanderer ein Ziel von Reisenden aus aller Welt. Seine Schätze sind Berge, Wälder, Matten, Seen und reißende Bäche, Obstkulturen, der Wein, die gastfreundliche Art der deutschen Bevölkerung und die deftige Küche. Über all das, über hübsche Städte wie Meran, Bozen, Brixen und Bruneck, über malerische Dörfe und überlieferte Volksbräuche kann man nachlesen.
Insgesamt
ein gut zu lesendes, informatives wie unterhaltendes Bändchen, das allerdings mit etwas weniger Text weit griffiger gewesen wäre, denn Messner wiederholt sich ausufernd über weite Passagen und langweilt mit wörtlich wiedergegebenen langen Interviews. Das hätt´s nicht gebraucht. Hingegen sind die 22 Federzeichnungen von Paul Flora (1922-2009) ein einziges Vergnügen.
Beispielbild

Reinhold Messner
Gebrauchsanweisung für Südtirol
Überarbeitete und erweiterte Neuausgabe

mit 22 Federzeichnungen von Paul Flora
 
© Piper Verlag Oktober 2010
224 Seiten
Integralbindung
€ 14,95 [D], € 15,40 [A], sFr 25,90
ISBN: 9783492275996
 
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