"Warte, warte, nur ein Weilchen,
dann kommt....." Die im Carlsen-Verlag erschienene Graphic Novel von Peer Meter und Isabel Kreitz erzählt die Geschichte des wohl „prominentesten“ deutschen Serienmörders: Fritz Haarmann.
Grausige 175 Seiten stark ist die jetzt im Carlsen-Verlag erschienene Graphic Novel mit dem Titel "Haarmann". Die von Peer Meter aufgezeichnete Geschichte, die Isabel Kreitz mit Schwarz-Weiß-Zeichnungen illustrierte, erzählt die letzten Monate im Leben des wohl bekanntesten deutschen Serienmörders Fritz Haarmann. Der Rezensent mußte beim Lesen der Graphic Novel an seine Jugendzeit nach dem Zweiten Weltkrieg denken, als ein Lied über den Massenmörder kursierte: "Warte, warte, nur ein Weilchen / dann kommt Haarmann auch zu Dir / mit dem kleinen Hackebeilchen / macht er Schabefleisch aus Dir."
Die Geschichte beginnt um 1920 in Hannover mit dem Fund zahlreicher menschlicher Knochen und Totenschädel im trockengelegten Fluß Leine. Die Anwohner sind beunruhigt, die Polizei streut das Gerücht, die Leichenteile stammten von Typhus-Toten. Doch schon bald tuscheln alle in der Stadt von einem "Menschenschlächter". Im spektakulären Prozeß im Dezember 1924 wurde er schließlich wegen Mordes in 24 Fällen 24-mal zum Tode verurteilt. Dabei hätte schon sein erster Mord im September 1918 bei einer gründlicheren Untersuchung durch die Polizei aufgedeckt werden können. Als die Polizei nämlich damals sein Zimmer durchsuchte und ihn wegen "Verführung eines Knaben" verhaftete, lag der Kopf seines ersten jugendlichen Opfers noch hinter dem Ofen seiner Mansarde...
Die Geschichte beruht auf den Ermittlungsakten der Kriminalpolizei und den damaligen Prozeßakten. Die Bilder zeigen einen dicklichen Haarmann, den es immer wieder zu jungen Männern hinzieht, die er dann meist umbringt und fachmännisch auf der Matratze seines Zimmers zerlegt. Die Kleidung der Opfer gibt er an einen Freund, der sie weiterverkauft. Wenn er in seiner Mansarde das Fleisch verpackt und an seine Kunden "immer für die Hälfte vom Ladenpreis. Iss 'n Prinzip von mir" verkauft, schwirren die Fliegen fast aus den Buchseiten und man muß beim Lesen der Sprechblasen mehrfach schlucken.
Der Band ist aber mitnichten wirklich blutrünstig. Er schildert eindringlich den Fall des Massenmörders, der nur so lange morden konnte, weil er sich bei der Polizei quasi als Spitzel anstellen ließ und so mit dem Ausweis eines Hilfspolizisten ganz einfach in Parks, am Bahnhof oder in Kneipen junge Männer ansprechen konnte. Mal versprach er ihnen Obdach, mal lud er sie zum Essen ein und mal gab er ihnen eine Jacke oder einen Mantel aus seinem "Fundus", um ihr Vertrauen zu bekommen. Die Polizei jedoch wollte von Hinweisen aus der Nachbarschaft, von Beobachtungen und Geräuschen in Haarmanns Wohnung nichts wissen.
Erst als ein junger Mann, dem er einen Anzug geschenkt hatte mit dieser Kleidung am Bahnhof von den Eltern desjenigen Jungen festgehalten wird, dem der Anzug gehört hatte, kommt der "Fall Haarmann" ins Rollen. Nicht nur, weil die Polizei oberflächlich ermittelte, konnte der Massenmörder so lange sein Unwesen treiben. Es war auch die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, die es Haarmann leicht machte, wo es in den Läden nicht viel zu kaufen gab und wo man froh über ein Stück Fleisch und eine noch ansehnliche Hose war.
Der graphisch gestaltete Roman bringt auch die zahllosen unbeachteten Anzeigen gegen Haarmann ans Licht und den Sumpf von Korruption im damaligen Polizei- und Justizapparat. Zeichnungen wie Texte sind authentische Schilderungen aus Haarmanns Zeit. Der Band liest sich wie ein gut gemachter Krimi oder wie das Drehbuch zu einem Horrorfilm mit Dokumentarcharakter. Der letzte Satz der Graphic Novel lautet: "Konsequenzen im Polizeiapparat von Hannover fanden nicht statt." Peer Meter/Isabel Kreitz – „Haarmann“ (Graphic Novel)
© 2010 Carlsen Verlag, 192 Seiten, Hardcover , 17,5 x 24,6 cm
€ (D) 19,90 - € (A) 20,50 / sFr 31,50 Weitere Informationen unter: www.carlsen.de und: www.carlsen.de/video Redaktion: Frank Becker
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