Schiller à jour gebracht

"Der Parasit" mit Andreas Mucke in einer Inszenierung von Ralf Budde

von Frank Becker
Der Parasit
oder
Die Kunst sein Glück zu machen

Ein Lustspiel
nach dem Französischen des Louis Benoît Picard

Schiller à jour gebracht


Im TiC-Theater glänzte Andreas Mucke als "Der Parasit"


„Der Himmel ist gerecht, und früher oder später erreicht den Schuldigen die Strafe.“
(Letzter Auftritt)


Die gut 25 Aufführungen des in Kostüm (Kerstin Faber) und Bühne (Sandra Beckmann) à jour gebrachten, im Text unveränderten Lustspiels „Der Parasit“ von Friedrich Schiller aus dem Jahr 1803, die Intendant Ralf Buddde im Wuppertaler TiC-Theater inszeniert hat, waren sämtlich ausverkauft. Der Rezensent erwischte glücklich eine der letzten und ist froh, diese Inszenierung nicht versäumt zu haben, zählt sie doch dank der Meisterleistung des Regisseurs und seines Protagonisten Selicour (Andreas Mucke) zu den besten, die er bislang hat sehen dürfen.
 
Ich will Rache...

Die Geschichte ist schnell umrissen: der opportunistische, um nicht zu sagen schleimige, zudem

Andreas Mucke, Dennis Wilkesmann - Foto: Andreas Fischer
unfähige, sich in der Verwaltung eines Ministeriums nach oben intrigierende Emporkömmling Selincour (Andreas Mucke) kennt keine Rücksicht auf andere. Für ihn zählen nur zwei Ziele: der Posten des Gesandten und die Ehe mit der weitaus jüngeren Tochter Charlotte (Sophie Halcour) des vertrauensseligen Ministers Narbonne (Carsten Müller). Dabei geht er jeden krummen Weg, auch wenn er damit andere ins Unglück stürzt. Der bereits von ihm aus dem Amt gedrängte La Roche (Dennis Wilkesmann) schwört Vergeltung und wird zum begabten Schüler des rücksichtslosen Ränkeschmieds. Zur eigenen Rache und um zum einen den gutherzigen, ehrlichen Firmin (Wolfgang Sprotte) ins ihm gebührende Amt zu heben und zum anderen um die Ehe von dessen Sohn Karl (Alexander Bangen) mit Charlotten zu ermöglichen, rückt er in einem Plan, der schließlich aufgeht, die Verhältnisse gerade – „Um meine Stelle ist mirs nicht zu tun, ich will Rache.“
 
Treffend besetzt

Regisseur Ralf Budde konnte aus dem großen Ensemble des semi-professionellen freien TiC-Theaters die Charaktere treffend und was die Hauptfiguren Selicour, Narbonne und Firmin angeht, sogar perfekt besetzen. So stand ihm mit Carsten Müller ein köstlich auf Karl-Theodor von und zu Guttenberg gebürsteter aufrechter pflichttreuer Minister zu Gebote, mit Wolfgang Sprotte ein rechtschaffener, bescheidener Ministerialbeamter und mit dem doppelt besetzten Björn Tappert (Kammerdiener Michel/ Vetter Robineau) ein gelackter Diener und eine klassische Lustige Person.
 
Den Glücksgriff allerdings hat Budde wohlbedacht mit seiner Besetzung des Selicour getan: Andreas Mucke. Der seit Jahren als Schauspieler tätige Kommunalpolitiker verfügt zum einen über ein gerüttelt Maß an Talent und Bühnenerfahrung, zum anderen durch seine politische Arbeit über einen denkbar intimen Erfahrungsschatz aus dem Ränkespiel und dem taktischen Handeln von Verwaltung, Politik und Diplomatie. Mucke gab einen Selicour zum Hassen und Küssen, brillant in allen seinen Facetten des Hochmuts, der Servilität, Verschlagenheit, List, Niedertracht, Intrige und Korrumpierung. Geschmeidig das Mienenspiel, brillant die Körpersprache, herausragend die Textgestaltung. Ein übriges taten der von Kerstin Faber perfekt geschnittene und mit dem oberen Sakko-Knopf geschlossene Anzug, Selicours schmatzender Handkuß im Gegensatzt zur formvollendeten Etikette der Firmins und die perfekte, punktgenaue Choreographie der blitzgescheiten, flinken Inszenierung.

Atemlos


Carsten Müller, Andreas Mucke - Foto: Andreas Fischer
Das Publikum folgt atemlos dem geschliffenen Ping-Pong der Schillerschen Dialoge, erbaut sich am galligen Humor des brandaktuellen Stoffs, an der Ehrlichkeit von Minister und Firmin, der Offiziersehre des idealistischen Karl, einer typischen Schiller-Figur und bangt mit dem jungen Paar um die Liebe. Da geht keine Sekunde, kein Lidschlag verloren. Und während es den Intriganten Selicour von Herzen haßt, geht es ihm doch dank Muckes grandiosem Spiel auf den Leim. Natürlich - es ist ein Lustspiel - endet die Sache für die Guten gut und fatal für den Niederträchtigen, denn „Der Himmel ist gerecht, und früher oder später erreicht den Schuldigen die Strafe.“ (Der Minister im letzten Auftritt)
  
Weitere Informationen unter: www.tic-theater.de