Eine Frau will nach oben

"Evita" in Coburg

von Alexander Hauer
Coburg 

Evita
Eine Frau will nach oben
 
Die Musical-Landschaft in Oberfranken nahm keinen Schaden mit dem Intendantenwechsel in Coburg. Bodo Busse pflegt diese Sparte auf dem gleichen hohen Niveau wie sein Vorgänger Detlef Altenbeck. Am Samstag stand Andrew Lloyd Webbers nun fast 40 Jahre alte Argentinienschmonzette auf dem Programm. Bei Roland Pfister war diese/s Rockoper/ Musical  in bewährten Händen. Die  neue 2006er Fassung ist rockiger, rauher als das Original von 1976. Auch Regisseurin Pascale Chevroton verabschiedete sich von den üblichen Klischees. Aus dem eher süßlich klebrigen Original machte sie eine politisch korrigierte Fassung.  Sie nahm dem strahlendem Fixstern Eva Peron etwas von ihrem Glanz, in dem sie deutlich ihren Werdegang zur Präsidentengattin aufzeigte. Auch Peron selbst wurde nicht als der schmachtende Liebhaber gezeigt, sondern als der eiskalte Machtmensch, der zum Erreichen seiner Ziele auch über Leichen geht. Bei Pascale Chevroton ist aus dem Revoluzzer Che ein distanziertes Oberschichtsbürschlein geworden, das seine Bestimmung erst noch finden muß. Soweit das Grundgerüst dieser Inszenierung.


Ensemble - Foto © Henning Rosenbusch

Star des Abends ist Ulrike Barz als Evita. Die Darstellung des Aufstiegs und des elenden Endes der Titelfigur glich einer Lehrstunde an sängerischem und schauspielerischem Können. Egal, ob sie die frühreife Eva Duarte, noch mit dunklem Haar und ausgeprägter, berechnender Libido spielt, oder die vom Krebs zerfressene Sterbende, stets bannt sie den Zuschauer. Drei interessante Männer umkreisen sie wie Satelliten. Als erstes Simon van Rensburg mit betörend schmelzigem Tenor als Tangostar Augustin Magaldi. Er ist es, der nach erhaltenen Liebesdiensten unter dem Druck der Familie Duarte die noch minderjährige Eva nach Buenos Aires bringt, und sie dort auch ihrem Schicksal überläßt. Eva schläft sich nach oben, bis sie sich in die Spitze der Macht drängt. Erblondet lernt sie den skrupellosen Politiker Peron kennen. Stephan Mertl vom Schauspiel Coburg hatte wieder einmal Gelegenheit, sein überragendes Können auf der Musicalbühne zu zeigen. Ganz außen stehend beobachtet Christian Alexander Müller als Che das Geschehen. Als Kommentator hält er intensivsten Kontakt zum Publikum, zieht es förmlich in das Geschehen mit ein und hält es gleichzeitig auf Distanz.

Mit Alexandra Burgstaller als Bühnenbildnerin und Tanja Liebermann, die für das Kostümbild verantwortlich war, hatte Pascale Chevroton zwei kongeniale Partner. Burgstallers schnell wandelbares und bewegliches Szenario unterstützt die Inszenierung dramaturgisch genau wie die Kostüme Tanja Liebermanns, die auf rauschende Ballroben verzichtete und ein klares Modebild der späten 40er und 50er zeichnete. Pascale Chevroton, die auch die grandiosen Ballettszenen choreographierte, schildert den Aufstieg Evas genau nach, verzichtet aber nicht darauf, die Schattenzeiten der Figur zu zeigen. Ihre Selbstikonisierung, der Verlust des Kontaktes zum Volk, das Ausnutzen ihrer Beliebtheit zum eigenen Zweck, ihre Geldgier, die sie auch zur Zusammenarbeit mit alten Nazis trieb, findet ihren Höhepunkt in der berühmten Ansprache von der Casa Rosata. Den Superhit „Don’t cry for me Argentina“ singt Ulrike Barz nicht von der Bühne, sondern aus der Königsloge des Theaters. Überdimensioniert und unerreichbar erscheint ihr Bild auf einer Leinwand. Krasser kann man den Verlust des Kontaktes zum Volk nicht darstellen. Ulrike Barz spielt eine Antiheldin, die den ganzen Abend über keine wirklichen Sympathien aufbaut, aber in ihrer Sterbeszene die ganze Liebe des Publikums erhält.


Stephan Mertl, Ulrike Barz - Foto © Henning Rosenbusch

Stefan Meier, der diesmal nicht nur seinen Chor, sondern auch einen Kinderchor einstudierte zu loben, heißt Eulen nach Athen tragen. Eine wie immer überragende Leistung trug zum Gesamtbild bei. Die neue Fassung von Evita unterscheidet sich vom Original in einigen Details, die Coburger Inszenierung aber wird für die Musicalszene ein neuer Meilenstein werden. Allen Beteiligten noch mal eine respektvolle Gratulation für diesen überragenden Abend.
 
Bilder von Henning Rosenbusch

Redaktion: Frank Becker