Die Reisen im Kopf gehen weiter

Stefan Schmatz - "Traumwelten III - Bilder zum Werk Karl Mays"

von Frank Becker
Die Reisen im Kopf
gehen weiter

Band III der "Traumwelten -
Bilder zum Werk Karl Mays"

 
Welcher Junge wäre - nun schon seit weit über einem Jahrhundert - nicht mit Karl May in den Wilden Westen und den Sudan, durchs Wilde Kurdistan und über die Kordilleren gereist? Mit dem Blauroten Methusalem nach China oder zu den Zobeljägern ins ferne Rußland – kein Problem. Die Reise findet im Kopf statt, die Bilder und Szenen zeichnet und baut sich der Leser, ob nun jung oder alt, immer noch selbst. Die Sprache Karl Mays macht es möglich, sich tief in seinen Erzählungen und Romanen wiederzufinden, die Augen zu schließen und Hatatitla oder Rih zu sehen, die Silberbüchse, den Henrystutzen oder die phantastischen Kostüme in Orient und Okzident, natürlich sich eine genaue Vorstellung von den unendlich vielen Charakteren zu machen, die der Autor entwickelt hat und mit ihm die weite Welt zu sehen. Man kann zu den Verfilmungen der Romane stehen wie man will, die Musik Martin Böttchers jedenfalls hat genau das umgesetzt, was Karl May Generationen mit seinen Texten ins Herz legte.
 
Die meisten Leser der mittlerweile 93 Bücher aus dem nun vereinigten Karl May Verlag Bamberg/Radebeul haben als Denk-Anstoß sicher nur die einprägsamen Titelillustrationen gehabt – aber mehr brauchte man eigentlich auch gar nicht, um sich hineinzulesen und die reale Welt um sich herum zu vergessen. Doch immer schon hat es auch illustrierte Buch-, Broschüren und Zeitschriften-Ausgaben gegeben, die teils von hervorragenden Illustratoren gestaltet worden sind. Es ist so parallel zu Karl Mays literarischem Schaffen ein reicher Schatz an Illustrationen entstanden, dessen Aufarbeitung, Ordnung und Publizierung sich ursprünglich Wolfgang Hermesheimer und Stefan Schmatz für den Karl May Verlag zur Aufgabe gemacht haben.
 
Die zunächst auf zwei Bände angelegte Edition „Traumwelten - Bilder zum Werk Karl Mays“ sprengte aufgrund der tatsächlichen Fülle und der Gewissenhaftigkeit der Kuratoren schon bald den gesteckten Rahmen. So viel interessantes und spannendes internationales Material konnten Stefan Schmatz und Wolfgang Hermesheimer mit Hilfe von Sammlern und Archiven zusammentragen, daß ein dritter Band unausweichlich wurde. Der erste Band, 2004 erschienen, erfaßt den Zeitraum von den Anfängen bis 1912. Mit dem 2007 fertiggestellten Band 2 wird die Zeit 1913 bis 1930 abgedeckt – und natürlich ist klar, daß das nicht das Ende sein konnte, wenn auch viele der Illustrationen später  weiter verwendet worden sind. Der bereits für das Frühjahr 2008 angekündigte und jetzt rechtzeitig zu Weihnachten druckfrisch erschienene Band 3 widmet sich nun den Künstlern, die bis in die Gegenwart an der bildlichen Darstellung der Geschichten Karl Mays arbeiteten. Daß Wolfgang Hermesheimer an der Herausgabe von Band III nicht mehr beteiligt ist, wird nirgends erklärt, doch bedankt sich Stefan Schmatz in seinem Vorwort ausdrücklich bei ihm „für seine hervorragende Mitarbeit an diesem Band“. Die Gründe dürften in einem heftigen Zerwürfnis zwischen Hergesheimer und Karl-May-Stiftung liegen. Dazu empfiehlt sich ein Blick in das Internet-Diskussionsforum der Stiftung.
 
Aber wieder zu dem wunderbaren 3. Band der „Traumwelten“, der das Jahrhundert-Werk von Wolfgang Hermesheimer und Stefan Schmatz glanzvoll beschließt. Unter Sammlern sind bis heute die Bände aus dem Verlag Fehsenfeld besonders beliebt, sicher nicht zuletzt wegen der ausgefallenen und ausgesprochen schönen Umschlag- und Text-Illustrationen von u.a. Willy Moralt, Sascha Schneider, Adolf Wald und Fritz Bergen. Doch angesichts der Fülle der in den drei jetzt vorliegenden Bänden in erstklassiger Qualität wiedergegebenen Bilder wird deutlich, daß sich viele andere - durchaus auch auf anderen Sektoren namhafte - hervorragende Künstler intim mit dem Werk Karl Mays auseinandergesetzt haben. Ich nenne hier nur einige Namen: Der Tscheche Zdenĕk Burian (1905-1981) z.B. hat Bilder und Zeichnungen von Rang eines Frederic Remington für tschechische Ausgaben der Romane Mays geschaffen. Der berühmte Marinemaler Claus Bergen (1885 – 1964), Sohn des oben erwähnten Fritz Bergen gehört wie auch Willy Moralt (1884 – 1947) und der Schwede Carl Lindeberg (1876 – 1961) zu den interessantesten Illustratoren, deren Arbeiten durchaus auch Anerkennung in der „seriösen“ Kunstwelt gefunden haben. Hinzugekommen sind während der Renaissance der Karl-May-Romane in den 50er und 60er Jahren nicht nur preiswerte Kaufhaus-Editionen, Taschenbuch-Reihen und Sammelwerke erschienen, man entdeckte Karl May für Buchclub-Ausgaben und den Comic (u.a. Lehning, Hethke und BLV). Mit dem Erlöschen des Urheberrechts-Schutzes 1962 stürzten sich auch im Ausland unzählige Verlage auf das Werk Karl Mays. Stefan Schmatz betont, daß von 1962 an eine strenge Auswahl getroffen werde mußte, da auch viel Minderwertiges auf den Markt kam.
 
Die erfreulichen Seiten der Bilderflut hat Schmatz mit (s.o.) der Hilfe von Wolfgang Hermesheimer abermals zu einem opulenten Band zusammengestellt. Wir finden unter den 80 identifizierten und einigen nicht identifizierbaren Illustratoren so bekannte Namen wie Josef Hegenbarth (Verlag Neues Leben), Mehmet Gülergün und Walter Neugebauer (Verlag Erich Pabel), Celestino Piatti (dtv), Heiner Rothfuchs (Mosaik Verlag), Klaus Lehmann und Karl Staudinger (KMV) und Michael Sowa (Haffmans).
Aber auch Unbekannte wie Karl Werner (Saarbrücker Kinder-Post) und den genialen Tschechen Gustav Krum, den ich zu den Besten zähle, hat Stefan Schmatz entdeckt und aufgenommen.
 
Die „Traumwelten“ (Band 1 - 3) bieten zu den Abbildungen bestens recherchierte und belegte bibliographischen Angaben, genaue Beschreibungen der Sujets und sehr verdienstvoll Textauszüge, die mit dem Roman selbst bekannt machen. Wer also den einen oder anderen davon noch nicht gelesen hat, bekommt zum Bild auch gleich ein Geschmacksmuster von Karl Mays Literatur. Die drei Bände sind eine unerschöpfliche Fundgrube, in der zu blättern, zu schmökern, zu stöbern lockt, und mit denen es ein leichtes ist, die Welt um sich herum zu vergessen. Für Leser und Sammler eine lohnende Anschaffung und ein phantastisches Geschenk für große und kleine Buben.
 

Stefan Schmatz – „Traumwelten – Bilder zum Werk Karl Mays III“
© 2010 Karl-May-Verlag Bamberg/Radebeul

384 Seiten, 174 farbige und 119 s/w Abbildungen, Künstler-Register
Format 17 x 17,5 cm - ISBN 978-3-7802-0179-9 - 39,90 € /  69,40 sFr
 
Weitere Informationen unter: www.karl-may.de