Das Geheimnis der E. Marlitt

Cornelia Hobohm - "Die Bestsellerautorin Marlitt"

von Sabine Kaufmann
Schicksale

Ihre Romane, die schon lange einer neuen Rezeption ähnlich der Renaissance von Hedwig Courths-Mahlers Bücher (1867-1950) harren, waren lange als Kitsch verschrieen. E. Marlitt (d.i. Eugenie John), die am 5. Dezember 1825 im thüringischen Arnstadt als zweites von fünf Kindern eines angesehenen Kaufmanns geboren wurde, hat in "zweiter Karriere" weit mehr als sogenannte "Dienstmädchen-Lektüre" geschrieben. Sie hatte den Mut, in ihren Romanen erstmals Frauenschicksale niederer Stände aufzugreifen, die in der überkommenen Literatur als durchaus unpopulär galten, verknüpfte die Schicksale von Menschen aller Stände, wurde quasi die literarische Ziehmutter der Courths-Mahler.

Doch populär wurden sie nach ihrem verhältnismäßig späten Einstieg in die Literatur - sie war immerhin bereits 40 Jahre alt - ab 1865 sehr schnell bei der vor allem weiblichen bürgerlichen Leserschaft, die danach lechzte, eben solche aus der eigenen Situation her zugänglichen Stoffe und Schicksale zu konsumieren. Nun waren es gewiß keine flammend revolutionären Romane, doch wohnte ihnen durch ihr Personal der Mittelschicht und des unteren Adels durchaus etwas neues inne. Was Ort und Zeit der Handlungen angeht, hat Eugenie John es sich leicht gemacht: sie läßt ihre Geschichten im Hier und Jetzt ihrer thüringischen Heimat spielen. Eine Verlagsheimat findet sie in der populären Zeitschrift "Die Gartenlaube", dem von Ernst Keil herausgegebenen "Illustrirten Wochenblatt", in dem auch Theodor Storm publizierte.

Was Ernst Keil nicht ahnt, als ihm unter dem Pseudonym E. Marlitt das erste Manuskript unter dem Titel "Die zwölf Apostel" zugeht, ist, daß E. Marlitt eine Frau ist. Als er es erst wesentlich später erfährt, macht er es - eine werbewirksame Maßnahme - zum Ärger von Eugenie John öffentlich. Sie hatte anonym bleiben wollen. Ihren Erfolg schmälerte es nicht, wofür spricht, daß die Titel einiger ihrer Romane bis heute in aller Munde sind und zum Teil prominent besetzt verfilmt wurden: "Goldelse", "Das Geheimnis der alten Mamsell" (1972), "Das Heideprinzeßchen", "Im Schillinghof" (1973), "Im Hause des Kommerzienrats" (1975) oder "Die Frau mit den Karfunkelsteinen" (1985). Die Romane der E. Marlitt erreichen enorme Auflagenzahlen und weite Verbreitung. Eugenie John wird durch ihre Bücher wohlhabend.

Cornelia Hobohm hat sich der Aufarbeitung der Biographie von E. Marlitt/Eugenie John und der Rezeption ihrer Werke in einem gleichermaßen informativen wie unterhaltsamen Bändchen angenommen, das vielleicht gerade jetzt richtig kommt, um die Lust auf ein wenig Kitsch und Romantik zu wecken. Denn wer Marlitt liest, kann sich bei bester Unterhaltung mit ihren Büchern für eine Weile von der Welt zurückziehen. Und eine kleine Auszeit können wir doch alle ab und zu gebrauchen. Einige Marlitt-Romane sind sogar als Neuauflagen zu bekommen, andere finden sich aufgrund ihrer hohen früheren Auflagenzahlen im Antiquariatsbuchhandel.
E. Marlitt starb am 22. Juni 1887.
Beispielbild


Cornelia Hobohm
Meine Geisteskinder

Die Bestsellerautorin Marlitt

© 2010 Sutton Verlag

126 Seiten, Paperback, mit vielen Illustrationen, ISBN 978-3-86680-597-2
14,90 €

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