Vorhang auf!

Carsten Jung - "Historische Theater"

von Sabine Kaufmann
Der ganze Glanz der Bühne

Historische Theater

Eine Reise durch wunderschöne Theaterhäuser
in Deutschland, Österreich und der Schweiz



Daß Deutschland das Land Europas mit der größten Dichte an Theatern ist, wissen wir aus einschlägigen Statistiken des Deutschen Bühnenvereins. Der deutschsprachige Raum Mitteleuropas mit Deutschland, Österreich und der Schweiz (dort mit der Ausnahme der Italienisch- und Französischsprachigkeit dürfte weltweit der an Bühnen, also auch an Theater-Kultur reichste sein. Die Geschichte der Gründung von festen Theaterhäusern in dieser Region geht bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts zurück - und nicht wenige der zwischen 1609 und 1930 (diesen Zeitraum vom Barock bis zum Art Deco behandelt in etwa das prächtige Buch, über das ich heute berichte) gebauten Theater haben die Geschichte "überlebt", sind nach Zerstörungen und Bränden wieder aufgebaut, restauriert und modernisiert worden, einige haben die Zeitläufe gar unbeschadet überstanden. Der Theater-Wissenschaftler Carsten Jung stellt in seinem mustergültig edierten Buch "Historische Theater" 30 ausgesuchte Häuser zwischen Putbus und Bellinzona, Koblenz und Wien, Cottbus und La-Chaux-de-Fonds im Detail und mit übersichtlichen Chronologien vor. Alle weiteren historischen Häuser werden im Anhang mit den entscheidenden Daten tabellarisch aufgelistet. Theater aus der Renaissance sind in Deutschland, der Schweiz und Österreich nicht erhalten, Carsten Jung weist - man meint zu spüren, mit einem Seufzen -  nach Italien, wo in
Vicenza das "Teatro Olimpico" von Andrea Palladio und in Sabbioneta das Teatro all´Antica noch Zeugnis von dieser großen Zeit ablegen.

Im südlichsten Zipfelchen der Region, die Jung mit seinem Buch abdeckt, liegt in der italienischen Schweiz die Tessiner Hauptstadt Bellinzona. 1847 wurde dort das nach Plänen von Giacomo Moraglia streng und stilvoll klassizistisch erbaute Teatro Sociale, das letzte erhaltene Logentheater der Schweiz eröffnet, das in seiner wechselvollen Geschichte sogar schon ein Kino gewesen ist und um ein Haar dem Abriß anheim gegeben war. Daß es mit seinem 348 Plätze bietenden Saal erhalten wurde und heute wieder 120 Mal im Jahr bespielt wird, hat es dem Engagement einer Stiftung zu verdanken. 

Eine sozusagen "umgekehrte" Karriere machte das Berliner Renaissance-Theater, das, nachdem es als Mehrzweckbau "Motivhaus" 1901/02 von Reimers & Körte erbaut erst dem gesellschaftlichen Leben des Akademischen Vereins diente, dann als Lazarett im 1. Weltkrieg genutzt wurde, 1920 zum Kino und erst 1922 zum Theater wurde. Den 2. Weltkrieg überstand es ohne wesentliche Schäden als Büro der Reichsschrifttumskammer und Wehrbezirkskommando. In Berlin ist es legendär, kaum ein namhafter Schauspieler, eine berühmte deutsche Schauspielerin, die nicht dort aufgetreten wäre.


Das Staatstheater in Cottbus, von Ernst Bernhard Sehring 1907/08 für insgesamt etwas mehr als eine Million Goldmark als Stadttheater gebaut, gehört zu jenen Häusern, die den verheerenden 2. Weltkrieg unversehrt überstanden haben. Das ist einem mutigen Befehlsverweigerer zu danken, der beim Näherrücken der sowjetischen Truppen "vergaß" das Haus, welches gegen Kriegsende als Munitionslager der Wehrmacht benutzt worden war, zu sprengen. Das Theater wurde von den Russen sofort wieder freigegeben und in der DDR weiter genutzt
, technisch modernisiert und restauriert. Nach der Wiedervereinigung wurde es vom Land Brandenburg zum Staatstheater umgewidmet und seither fast täglich bespielt. Carsten Jung schreibt voller Begeisterung: "Was für ein Theater! Eine architektonische Skulptur. Ein frei im Raum schwingendes Monument. Ein Tempel der Kunst, umrahmt von Grünanlagen und Brunnen. Ist das Jugendstil? Ist das Eklektizismus? In jedem Fall ist es genial. Und ganz der Architekt: Bernhard Sehring."
Werfen wir noch einen Blick nach Österreich, genauer: aufs Theater an der Wien. Der Schauspieler, Librettist ("Die Zauberflöte"), Schauspieler und Sänger Emanuel Schikaneder ließ es 1800/01 bauen. Das glanzvolle Haus hat mittlerweile immerhin 210 Jahre überstanden und Ludwig van Beethoven, Johann Nestroy, Johann Strauß, Carl Millöcker, Franz Léhar, Emerich Kálmán, Ferdinand Raimund  und Ernst Stankovski in seinen Mauern begrüßen können. Es war Heimat der Wiener Staatsoper (1945-55) und ist es für die Wiener Festspielwochen. 2006 hat die Stadt Wien den Traum in Rot und Gold zum städtischen Opernhaus gemacht.

Diese wenigen Eindrücke sollen genügen, um in Ihnen die Lust auf eine eigene Reise durch die Historischen Theater in Deutschland, Österreich und in der Schweiz zu wecken. Für Theater- und Geschichtsfreunde geradezu ein Muß. Kaufen Sie es als Geschenk für jemanden, den Sie ganz besonders mögen - allerdings mit dem Risiko, daß Sie es dann doch selber behalten. Ein ganz
zauberhaftes Buch.

Carsten Jung – „Historische Theater – in Deutschland, Österreich und der Schweiz“
© 2010 Deutscher Kunstverlag
160 Seiten mit 135 farbigen und 5 schwarzweißen Abbildungen sowie einer farbigen Lagekarte, 16,5 x 24 cm, Klappenbroschur
ISBN: 978-3-422-02185-3
12,80 € [D] |  13,20  € [A] |  19,90 SFR [CH]
 
Weitere Informationen unter: www.deutscherkunstverlag.de