Zwei gut aufgelegte Legenden
Eine angewandte Literaturkunde Was haben Bernstein und Kästner gemeinsam? Sie sind - gewollt oder ungewollt - Legenden.
„Die schlimmsten Kritiker der Elche waren früher selber welche!“ und „Es gibt nichts Gutes – außer man tut es!“ Beide Worte stecken tief in Volkes Reimgedächtnis. Was F.W. Bernstein und Erich Kästner ferner gemeinsam haben: Es gibt ihre gesammelte Poesie in einem Band - selbstredend in des jeden seinem (das ist so kompliziert, daß ich nicht weiß, ob Dativ oder Akkusativ). Die obendrein gleich heißen: „Die Gedichte“.
Ich besitze beide Ausgaben, was ich auf jeden Fall Erich Kästner voraus habe, da der ja schon verstorben war, als Bernsteins lyrisches Gesamtwerk erschien. Umgekehrt vermutlich schon. Mir gelang es jüngst, diese beiden Dichter noch dichter zusammenzuführen: „Legendenbildner trifft Bildungslegende“. Das war mein erster Arbeitstitel, den ich aber genauso schnell verwarf, wie den völlig verschwurbelten Webansatz „Schublade Kästner / Schmuckkasten Bernstein“. Um ein weiteres Versteigen im Zentralmassiv Feuilleton zu vermeiden, wählte ich ein handgreifliche und simple Methode, um beide Legenden miteinander zu verknüpfen. Ich nahm das schöne, gerade bei Haffmans neu herausgebrachte, Buch („Die Gedichte“, ISBN 9783942048200) unseres aller Erich mit zu einer Lesung der Bernsteinschen Werke durch gleich drei Gestalten des deutschen Tief- und Leichtsinns – nämlich FKW leibhaftig, sowie Richard Christian Kähler und Gerhard Henschel – und bat dort im gediegenen Rahmen des Literaturhauses zu Hamburg bei der anschließenden Signierstunde die Legende Bernstein um eine Widmung in Erichs Buch – auch auf die Gefahr hin, es mir für immer mit der lebenden zu verderben. Dem war nicht so. Ganz im Gegenteil. Fritz Weigle Bernstein (*1938) schrieb vorne in den Kästner: „Es gibt nichts Gutes außer man tut es“. Und weiter: „meinem Paten, doch, ich behaupte das froh und stolz, ehrerbietig F.W.Bernstein“. Die Widmung als Huldigung.
Denn was ich – und sicher einige andere Freund der Frankfurter Schule – gar nicht wußte: Kästner war der Pate der „Pardon“ gewesen (da hülfe denn die gelegentliche Lektüre der Musenblätter, Anm. d. Redaktörs) und damit quasi der Patenonkel von Fritz, Friedrich und Robert und sie – die bösen Buben und „Welt im Spiegel“-Macher – saßen 1964 oder 65 mit ihm, der wirklichen Legende – im Frankfurter Cafe Nizza an einem Tisch. Und - wie Bernstein gerne zugibt und gesteht: "Ja, Erich Kästner – er hat mich tief beeindruckt!"
Das ist nicht nur ein literaturwissenschaftlich interessanter Satz, sondern auch ein sehr schöner Übergang zu einem der Gedichte, das sich tief in mein Gedächtnis gegraben hat, und von dem ich lange annahm, es wäre aus der Feder des Frankfurter Robert und Humor-Mitstreiters Gernhardt. Weit gefehlt: Es ist in Wahrheit von FWB und lautet:
„Horch - ein Schrank geht durch die Nacht / voll mit nassen Hemden. / Den hab ich mir ausgedacht / um Euch zu befremden.“ Diese ewige Großtat des Absurden findet sich auf Seite 410 der schönen Ausgabe aus dem Antje Kunstmann Verlag („Die Gedichte“ - ISBN: 978-3-88897-340-6). Das Buch besitze ich, wie gesagt – nur leider ohne Widmung. Aber mit weiteren - geschätzten, ja sehr geschätzten 1000 Reimen. Oder sagen wir: jedenfalls über 500. Nicht geklärt wurde auf dem Heimweg eine ganz andere Frage, nämlich wer für die folgenden, für immer ins Volkshirn gemeißelten Zeilen, urheblich ist: „Und lange tönt s im Walde noch Salamander lebe hoch!“ Aber das wissen Sie vielleicht.*)
Glücklich und bescheiden las ich das Handgeschriebene Bernsteins erst auf besagtem Heimweg im Bus - und entdeckte: selbst bei so einer heiklen Signieraktion geht der altgediente Humorhandwerker einem Schmunzler nicht aus dem Wege, denn unter all die vielen Zeilen schrieb er zuletzt: "Diese Widmung ist Herrn Greve gewidmet". *) Aber natürlich weiß der Redaktör das: Günther Bentele und Erwin Kühlewein sind es gewesen.
Redaktion: Frank Becker |