38 Jahr war sie
Die Augen rannen. Waren es Tränen nur oder auch der feuchte Himmel? Grund hätte er gehabt, 38 Jahr war sie, ließ Mann und Kind zurück. Eine Ader war gerissen, wo keine Hand hinkam, die sie hätte flicken können, Unbarmherziger, warum? Dreimal stieß ich, wie der Rabbi es befohlen. die Schaufel in den Sand. Dreimal warf ich, letzter Dienst an der Toten, den Aushub auf den Sarg. Ihre wilden Locken hatten im Leben so entzückt. Ich bekam nichts Anderes zu fassen als nur die Schulter des Gebroch'nen. Er hatte sich fast ganz verkrochen im Trauerberg aus Vätern, Müttern, Söhnen, die in der Umarmung fest verschlungen sich klagend wiegten, wie ein Kind gewiegt wird von der Mutter. Dreimal drückt' ich, als sei's die Schulter Hiobs, die Schulter des Gebroch'nen. Dreimal rief ich: Du wirst es schaffen! So hilflos war ich nie. Drei Psalmen las der Rabbi mit der Zunge der Hebräer. Dazu der Paukenschlag der vollen Schippen auf den Sarg und das leise Wimmern aus dem Trauerberg. Am Ende ein Glanz von Zufriedenheit im Gesicht der Männer. Dreimal hatte jeder die volle Schippe über dem Sarg geleert. Nur wenig fehlte, wir hätten die Grube ganz gefüllt. Wir hatten der Toten Respekt bezeugt und durften nun, die Geschäfte riefen, wieder ziehen. Nur zuvor noch am dampfenden Bottich vor der Kapelle mit dem zweihenkeligen Krug erst die Linke, dann die Rechte übergießen! Denn mit reinen Händen kehr zurück ins Leben, wenn du von der Pforte des Todes kommst! Wolf Christian von Wedel Parlow
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