Q darf nicht für Quote, sondern muß für Qualität stehen

Ein Zwischenruf

von Peter Bilsing

Foto © Frank Becker
Zwischenruf

von Diplomsportlehrer Peter Bilsing
zu dem schlimmen Unfall bei „Wetten Dass“
 
Q darf nicht für Quote,
sondern muß für Qualität stehen
 

Nach diesem schlimmen, tragischen Unfall müssen Konsequenzen gezogen werden. Daß der WDR-Verwaltungsrats-Chef Beck eine Diskussion über „Waghalsigkeit, Nervenkitzel und Quote“ fordert, ist das Mindeste was geschehen muß.
 
Wenn sowohl Programmdirektor Thomas Bellut als auch Everybodys Darling Thomas Gottschalk jedweden Quotendruck und das damit verbundene Streben nach immer höherem Risiko abstreiten, dann lügen sie ihren Zuschauern dreist ins Gesicht und verweigern sich ihrer Verantwortung! Denn es sind eben genau die Wetten, die in letzter Zeit zugenommen haben, welche auch genau die Klientel anzieht, die zu Autorennen fährt, um Unfälle zu sehen. Das werden die meisten natürlich vehement bestreiten; es ist aber letzten Endes wohl doch ein Großteil der Zuschauer, denn der Nervenkitzel der Formel Eins besteht ja nicht darin, daß Rennboliden im Kreis fahren. Und wenn es richtig scheppert wird spontan vom Sprecher-Duo große Anteilnahme geheuchelt, statt ehrlich zu sagen: „Endlich hat´s wieder gekracht – dafür lieben wir doch diesen Sport!“
 
Zurück zu „Wetten Dass“. Da gab es z.B. den Läufer, der beim Rückwärts-Laufen die Kleidung wechseln wollte. „Zu lahm, zu langweilig!“ hieß es vom ZDF. Man wollte ihn auf ein um die Hälfte verkürztes Laufband stellen und die seitlichen Stützen absägen, damit die Sache mehr Biß habe. Dramaturgische Spannung durch drohende Knochenbrüche! Gottseidank hat der intelligente Mensch diese Risikoverschärfung kategorisch abgelehnt.
 
Als alter Trampolin-Profi, Vereinslehrer und mit bald 40 Jahren Schulsport-Erfahrung kann ich eine klare Unfall-Analyse vornehmen: Salto Vorwärts überdreht - der klassische Fehler. Meist fällt der Trampolinspringer (die Sprung-Federn des Wett-Kandidaten sind in ihrem Effekt mit einem Trampolin vergleichbar) noch aufs Trampolin-Tuch, was den Fall abbremst. Knallt der Risikospringer aber mit dem Gesicht auf den harten Boden - ist das meist tödlich. Ich gebe dem Jungen nach Studium des Unfallvideos kaum eine reelle Chance, obwohl ihm Rettung natürlich zu wünschen wäre. Meiner fachlichen Meinung nach wäre mit zwei Sicherungsleuten, die dicht an den Autos hätten stehen müssen oder mit Sicherungslonge die Sache glimpflicher ausgegangen. Zwar hätten die ihn nicht völlig auffangen können, aber doch seinen brutalen Aufschlag dämpfen – furchtbar, daß all die großen Sicherheitsprofis beim ZDF daran nicht gedacht haben.
 
Ein einfacher Salto vorwärts ist für viele sportliche Jugendliche eigentlich eine leichte Sache - ist es aber nicht, wie es zu sehen war. Nirgendwo ist das Risiko eines Genickbruches größer. Daher sprangen wir im Verein auch immer nur einen Salto vorwärts mit halber Schraube! Schlimm ist, daß das ZDF wohl keine professionellen Diplomsportlehrer als Berater hat, oder andere Profis, die biomechanische Zusammenhänge präventiv analysieren können.
Und noch etwas an die ganz Klugen: Einen überdrehten Salto vorwärts kann der Springer selber nicht mehr stoppen; da er die Arme zur Seite gebracht hat, um die Drehung zu bremsen, kann er sich auch nicht mit den Händen abfangen!
 
Daß man sich beim ZDF, statt eine gehörige Teilschuld anzuerkennen, so billig und schäbig zurückzieht, ist erbärmlich. Wahrscheinlich gibt es noch nicht einmal eine Versicherung für die Kandidaten, so daß der arme Kerl, so er überlebt (was wir alle herzlich wünschen), wahrscheinlich noch Jahre um seine Rente kämpfen muß.
 
Ein guter Grund, die Sendung endlich auslaufen zu lassen. Die großen Wetten sind abgegrast. Es bleibt nur noch ein Terrain für Exoten oder Hochrisikofahrer. Schluß damit! Q muß im Öffentlich Rechtlichen für Qualität und nicht mehr länger allein für Quote stehen!

Redaktion: Frank Becker