László Moholy-Nagy: Kunst des Lichts
Berlin huldigt im Martin-Gropius-Bau dem bedeutendsten Medienkünstler der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Im Jahr 1895 wurde in Ungarn der Medienkünstler László Moholy-Nagy geboren, 1946 starb er in den USA. Wie revolutionär sein künstlerisches Werk und Wirken war, ja wie „modern“ sein Œuvre auch nach Jahrzehnten noch anmutet, belegt eine Ausstellung, die derzeit mit dem Untertitel „Kunst des Lichts“ im Berliner Martin-Gropius-Bau zu besichtigen ist.
Der aus dem 19. Jahrhundert tradierte Künstlerhabitus – lange Mähne, Samtjäckchen, Barett, genialisches Gehabe – war Moholy-Nagy fremd. Von seiner Frau Lucia ließ er sich in den Zwanziger Jahren als Monteur im Overall fotografieren. Sein Interesse als Künstler im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit (Benjamin) war ganz auf die Erforschung neuer künstlerischer Medien gerichtet sowie darauf, der Kunst in der fortgeschrittenen Industriegesellschaft einen neuen Stellenwert zuzuweisen.
Sein umfassendes Œuvre als Maler, Typograph, Plastiker, Fotograf, Filmemacher, Bühnengestalter, Industriedesigner und Gestaltungstheoretiker sowie seine Tätigkeit als Kunstpädagoge machen ihn zu einer zentralen Figur der Moderne der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dabei war er Autodidakt, und gerade das Fehlen einer formalen Ausbildung scheint ihn zur künstlerischen Grenzüberschreitung bzw. zur Ausweitung des traditionellen Kunstbegriffs geradezu prädestiniert zu haben. Frei von innovationshemmenden akademischen Fixierungen, gelang es ihm nach dem Ersten Weltkrieg in erstaunlich kurzer Zeit, in den inneren Kreis der damaligen Avantgarde einzudringen.
Begonnen hatte Moholys künstlerische Entwicklung mit ausdrucksstarken, im Duktus expressionistischen Tusche- und Kreidezeichnungen, die 1917 angesichts grauenhafter Kriegserlebnisse entstanden und die in einem undurchdringlichen Liniendickicht die Stacheldrahtlandschaften der Schlachtfelder und das Sterben der Soldaten zeigten. Zwischen Fieberdelirien schrieb er im selben Jahr als Rekonvaleszent von einer Kriegsverletzung das Gedicht „Lichtvisionen“ – frühestes Zeugnis seiner Einsicht in das Licht als Daseinsprinzip und Gestaltungsmittel. Und in der Tat wurde das Phänomen „Licht“ zum Dreh- und Angelpunkt seiner gesamten künstlerischen Arbeit, wie die Berliner Ausstellung eindrucksvoll dokumentiert.
Nach dem Krieg entstanden zunächst Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken, die bei aller konstruktiv-abstrahierenden Gestaltungsweise noch gegenständlich inspiriert blieben und von der Technikbegeisterung des Künstlers zeugen (Brückenkonstruktionen, Eisenbahnsignale, Maschinenräderwerk u.a.). Rasch gelang es Moholy-Nagy dann, sich die „Sprache der Geometrie“ anzueignen und einen zwar von der Russenavantgarde beeinflußten, aber doch ganz eigenständigen konstruktivistischen Stil zu entwickeln.
Malerei
Seine intensive Beschäftigung mit dem Phänomen „Licht“ fand in strengen Kompositionen ihren
Für Walter Gropius, der 1919 in Weimar das Bauhaus gegründet hatte, war Moholy mit seinem innovativen Schwung und seinen progressiven Ideen eine große Entdeckung, und so war es nur folgerichtig, daß er ihn 1923 als Lehrer an seine moderne Reformkunstschule berief. Hier wurde der Künstler zum maßgeblichen Motor des von Gropius unter dem Motto „Kunst und Technik – eine neue Einheit“ eingeleiteten Kurswechsels der Schule vom Expressionismus hin zum Konstruktivismus und zu einer dezidierten Industrieorientierung.
Fotogramme
Moholy-Nagy hat sich selbst sehr pointiert als „Lichtner“ bezeichnet, und ein unmittelbar sich
Kamerafotografien
Neben seinen Experimenten im Bereich des „abstrakten“ Fotogramms (Fotogramme mit gegenständlichen Formen wie Köpfen, Händen, Pflanzen u.a. sind eher selten) ist László Moholy-Nagy mit seinen revolutionären Kameraaufnahmen in die Kunst- und Fotogeschichte
Fotoplastiken
Eine andere, dritte Facette der Beschäftigung Moholys mit dem fotografischen Medium sind die von ihm selbst als Fotoplastiken bezeichneten Fotomontagen, die in Berlin in einer ebenso prägnanten Auswahl vorgeführt werden wie die Fotogramme und die Kamerafotografien. Mit ihnen gelang es ihm, konstruktivistische Formaskese und dadaistischen Bildwitz auf einen Nenner zu bringen. Von den oft mit Einzelelementen überfrachteten dadaistischen Fotomontagen eines Kurt Schwitters oder Raoul Hausmann unterscheiden sich Moholys Fotoplastiken in der Regel durch sparsamen Einsatz fotografischer Bildzitate sowie durch Klarheit und Übersichtlichkeit der Bildorganisation.
Licht-Raum-Modulator
Zu Moholys Bemühen, als „Lichtner“ die Möglichkeiten direkter Lichtgestaltung auszuloten, gehört auch sein plastisches Œuvre. So entstanden ab 1922 zunächst dreidimensionale
Typographie
Eine angemessene Würdigung erfährt der Künstler in Berlin auch als progressiver Typograph. Die Prinzipien der sog. Neuen Typographie der Zwanziger Jahre – Klarheit und Lesbarkeit, Bevorzugung von Groteskschriften, asymmetrische Schriftanordnung, Unterstreichungen durch Balken – hat Moholy exemplarisch in den von ihm gemeinsam mit Gropius herausgegebenen „Bauhausbüchern“ durchexerziert. Obwohl diesen Arbeiten Moholys auf dem Gebiet des modernen Grafik-Designs oft etwas Forciertes anhaftet und schon damals der dekorative Charakter der Unterstreichungsbalken angegriffen wurde, gelang es dem Künstler doch, den vierzehn erschienenen „Bauhausbüchern“ ein verhältnismäßig einheitliches Erscheinungsbild zu geben und damit Generationen progressiver Typographen zu beeinflussen.
Größten Einfluß hatte Moholy mit seinen kunsttheoretischen und kunstpädagogischen Schriften: in der Reihe der „Bauhausbücher“ zunächst „Malerei, Photographie, Film“ (1925), dann „Von Material zu Architektur“ (1928), und – 1947 posthum erschienen – „Vision in Motion“, ein Buch, das zahlreiche Auflagen erlebte und maßgeblich dazu beitrug, daß die progressiven Ideen des ungarischen Universalkünstlers, in deren Zentrum die Idee der direkten Lichtgestaltung stand, in den USA und international große Verbreitung fanden. Wenn, um mit Bazon Brock zu sprechen, Avantgarde das ist, was Tradition bildet, dann war László Moholy-Nagy, zumal mit Blick auf die Entwicklung der Medienkunst im 20. Jahrhundert, Avantgardist par excellence. Die Berliner Ausstellung ist dafür ein erneuter Beweis.
László Moholy-Nagy. Kunst des Lichts
Martin-Gropius-Bau, Berlin - bis 16. Januar 2011
Katalogbuch „László Moholy-Nagy. Kunst des Lichts“ mit Texten von Vincenzo Vitiello, Jean Paul Goergen, Oliver A.M. Botar, Hubertus von Amelunxen, Hans Petersen und Oliva María Rubio, 260 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, 22 x 27 cm, Leinen, Co-Edition mit La Fábrica und dem Martin-Gropius-Bau Berlin, Hirmer Verlag, München 2010, 29,- Euro €, ISBN 978-84-92841-35-6 Weitere Informationen unter: www.berlinerfestspiele.de und www.hirmerverlag.de Redaktion: Frank Becker |