Die Varusniederlage oder Die Schlacht im oder am Teutoburger Wald

Die Schlacht um die Schlacht - (Teil 3)

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Die Varusniederlage
oder
Die Schlacht im oder am Teutoburger Wald
Oder
Die Schlacht um die Schlacht
Die reine rheinische Wahrheit

- Teil 3 -
 
 
Kalkriese, Karneval und Mittelstrahl

Das ist also die Situation im Rheinland, und im Linksrheinischen obendrein. Das ist natürlich im Rechtsrheinischen schon vollkommen anders und da oben hinter Osnabrück sowieso. Da gibt’s nix, was man ausgraben könnte, deshalb klinken die natürlich vollkommen aus, falls mal trotzdem wat da ist – und wenn es das Falsche ist. Und so kam das überhaupt zustande, daß nämlich die Varusschlacht hinter Osnabrück bei Bramsche am Kalkrieser Berg – BERG!!!, 150 m hoch, das ist für die da oben schon ein Berg! Man glaubt es nicht! – stattgefunden habe. Das war im Schicksalsjahr 1987.
Ich sage Schicksalsjahr, weil in diesem Jahr einige Fäden zusammengelaufen sind mit dem Ergebnis, ja, die Schlacht hat aller Wahrscheinlichkeit nach in der Kalkrieser - Niewedder - Senke stattgefunden und (fast) alle glauben es und fahren jetzt dahin. Dabei kennt man das ja noch von sich oder seinen Kindern: das Fädenspiel, wo Du gucken mußt, den Faden zu erwischen, der unten im Eimer mit Gold landet, du kannst aber anfangen, wo du willst, du kommst immer am falschen Ende heraus. In diesem Schicksalsjahr hat sich ein Karnevalsverein gegründet und ein Archäologe mußte Wasser lassen – und schon war alles gelaufen. Und das war so: In der Karnevalssession 1986/87 hat sich in Osnabrück eine neue Karnevalsgesellschaft gegründet und zwar eine mit klarer rheinischer Ausrichtung. Jetzt hatten die zwar die Gesellschaft, aber noch keinen Fundus. Und eine KG ohne Kostüme – ob das nun Lappenclown oder Funken-Uniformen sind, ist egal – ist eine armselige Angelegenheit.
Also haben sie um Unterstützung in Köln nachgesucht und die Kölschen haben natürlich geholfen. Sie schickten prompt 50 Römerhelme, 50 Brustpanzer, paar Schwerter und eine Gesichtsmaske nach Osnabrück. Damit die Freunde in Niedersachsen im Karneval eine gute Figur abgeben. Wobei ich da aus rheinischer Sicht noch anmerken möchte: die haben da in Osnabrück nicht den üblichen Karneval. Also da ist kein Weiberfastnacht oder Wieverfastelovend, da ist kein Rosenmontag etc. pp., wat die haben ist ein Samstag, der Karnevalssamstag. Und wissen Sie, wie die den nennen? Ossensamstag! Nennen die den, also da kriegt der Rheinländer aber so wat von Lust, sich umzuziehen, das paßt auf keine Kuhhaut. Jot. Jetzt sind die also in die Klamotten erein und haben am Ossensamstag als Römer die Kuh fliegen lassen, aber richtig. Schön, dann war Karneval vorbei und die Klamotten hätten nach Köln geschickt werden sollen.
 
Haben die auch gemacht – jetzt weiß ich nicht, ob mit dem Thomas Gottschalk bei der DHL – was übrigens nur „Das Halbe Leben“ heißen kann, wenn ich so an die Wartezeiten denke! - oder UPS, ist ja auch egal, jedenfalls, dat Zeuch ist in Köln nie angekommen. Natürlich hat man Nachforschungen angestellt, aber da ist nie wat bei herausgekommen – normal! Oder hat das bei Ihnen schon mal geklappt?
Das zweite große Ereignis im Jahre 1987 war der Vatertagsausflug einiger Bonner Wissenschaftler. Da haben die Archäologen vom Rheinischen Landesmuseum in Bonn auf den Kalender geguckt und gesehen: Ha! Vatertag! Da ist ein Freitag dahinter, da kann man den doch mal schön als Brückentag nutzen und einen kleinen Betriebsausflug machen. Zack, VW-Büschen gemietet und jetzt wollten die fünf Archäologen mit ihren Schäufelchen an die Nordsee und zwar nach Greetsiel, das ist im Westen von Ostfriesland, südlich von Norden.
Da wollten die ein bißchen buddeln und was halt sonst so dem Archäologen als solchem Spaß macht. Und buddeln im Watt ist allemal weniger anstrengend als unterm Kölner Pflaster. Jot. Die also am Vatertag in der Bus, hinten ein Pittermännchen Kölsch erein und los ging es. Die fahren jetzt über Wuppertal, Hagen, Dortmund, Münster und kurz hinter Osnabrück melden sich die ersten Folgen: ich meine, auch bei den Archäologen ist schon mal der ein oder andere Inkontinente dazwischen. Schön, also: hinter Osnabrück geht es los: ich muß mal raus, ich brauch mal Päuschen etc. pp. Der Klaus aber sagte: nee, wir halten nicht an der Raststätte Tecklenburger Land, weil ich die neuen Toiletten nicht mag. Sie wissen schon: da zogst Du, damals noch für 50 Cent, jetzt haben die 40 % (!) aufgeschlagen und Du zahlst 70 Cent, an der Barriere eine Marke, dann schlägst Du Dein Wasser am wasserlosen Becken ab, das auch noch zu Dir spricht, gehst raus an die Theke und bekommst jetzt den Gutschein für ein Täßchen Kaffee angerechnet. Wie die das Wasser jetzt von hier nach da – ich weiß es nicht! Schmecken tut es jedenfalls so.
 
Also: der Klaus setzt sich durch, man fährt jetzt runter von der Autobahn, quasi ein bißchen seitlich ins Gebüsch und hält für zum Pinkeln. Jetzt war das so: der Wissenschaftler als solcher ist ja weniger wegen seines athletischen Körperbaus angesehen, sondern mehr wegen der Akrobatik seiner Hirnwindungen. Das heißt: die vier eher schmächtigen – ‚durchgeistigt’ sagt man da ja gerne – Herren stellen sich hinters Büschen und plätschern vor sich hin, der Dr. Klaus Grewe aber, der gehört zu einer anderen Abteilung, dat es enen richtige staatse Kerl, so ein richtiges Mannsbild. Der Klaus schlägt also auch sein Wasser ab, aber, was soll ich Ihnen sagen: allein mit dem Mittelstrahl pinkelt der fünf Römerhelme frei! FÜNF RÖMERHELME! MIT DEM MITTELSTRAHL! Einmalig. Natürlich haben das dann ein paar Eingeborene gesehen und schwupp! die archäologische Ambulanz in Osnabrück angerufen, die dann mit Tatütata und einem riesigen Schäufelchen-Sortiment angeflogen kamen und den Rest können Sie sich ja ausmalen: 50 Helme, 50 Brustpanzer, Schwerter – von denen man allerdings nicht genau weiß, ob das Schwerter oder doch eher römische Spargelschäler sind – und die Gesichtsmaske, die jetzt auf allen Büchern drauf ist. Gut – schön ist sie ja wirklich! Und natürlich heißt es seitdem: hier sind die Beweise, das kann nur hier herumliegen, weil genau hier die Schlacht im Teutoburger Wald war.
Wobei wir da mal innehalten müssen und uns fragen müssen: Wo bitte war das denn alles überhaupt wirklich, denn wir wissen, daß der Teutoburger Wald nicht schon immer Teutoburger Wald geheißen hat.
 
Also das war so: Die alten Griechen und Römer kannten zwar ein bißchen das Linksrheinische, im Rechtsrheinischen aber waren gewisse Wissenslücken. Aristoteles meinte, am Nordrand der Alpen gäbe es ein Riesengebirge, die Herkynischen Berge, von dem aus alles, was Wasser ist, ins Nordmeer flösse.
Das hat nun einer vom anderen abgeschrieben und der Caesar hat sich auch nicht wirklich differenziert um Deutschland gekümmert, für ihn war da auch so was wie der herkynische Wald, der sich bis nach Asien hinüberzöge – klar: Peking war nur eine Köhlerhütte - und fertig, also quasi ein Dschungel im Rechtsrheinischen, wie soll ich sagen: westfälisch-Kongo oder so. Jetzt wollte der Tacitus aber – er war ein damals sehr prominenter Historiker, quasi der Guido Knopp der römischen Antike – bei seiner Beschreibung der Schlacht mit Spezialwissen glänzen. Er muß sich lange überlegt haben „Wie nenne ich den Wald? Es muß ein bißchen germanisch, ein bißchen keltisch, ein bißchen nach drohendem Urwald und ein bißchen nach Barbaren klingen, wat mach ich nur!“ – und schlägt den Itinerarium Antonini Augusti auf, das war so was wie der Aral-Atlas der römischen Legionen. Und da stößt er auf einen Ort, der Teutiburgium heißt.
 
Aber davon erzähle ich Ihnen nächste Woche und garantiere: Es bleibt spannend!
Genießen sie den unerwarteten Vorfrühling und gehen Sie mal wieder im Wald spazieren – es muß ja nicht der Teutoburger sein…
 
Ihr
Konrad Beikircher




© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2011
Redaktion: Frank Becker