TonArt

Eine Ausstellung zur antiken Töpfertechnik im Akademischen Kunstmuseum der Universität Bonn

von Rainer K. Wick
TonArt

Eine Ausstellung zur antiken Töpfertechnik
im Akademischen Kunstmuseum
der Universität Bonn
 

Eine „Cinderella-Collection“?
 
Universitätsmuseen führen in der Regel ein bedauerliches Schattendasein. Nur in den seltensten Fällen spielen sie in der Champions League. Unterfinanziert und für die Allgemeinheit kaum sichtbar, kommt ihnen in der Museumslandschaft häufig der Status des Aschenputtels zu. Im englischen Sprachraum ist Aschenputtel als Cinderella bekannt. Folgerichtig sprechen Internationale Museumsexperten im Zusammenhang mit Universitätsmuseen gerne von „Cinderella Collections“.
Das vis-à-vis des Kurfürstlichen Schlosses (heute Universitätshauptgebäude) am südlichen Rand des Bonner Hofgartens gelegene Akademische Kunstmuseum als „Cinderella Collection“ zu bezeichnen, würde dem Umfang und der Bedeutung dieser Antikensammlung der Universität Bonn kaum gerecht werden. Denn das Gebäude, an dessen Entwurf Anfang des 19. Jahrhunderts der klassizistische Architekt Karl Friedrich Schinkel mitgewirkt hat, beherbergt nicht nur eine der größten Sammlungen Deutschlands mit Gipsabgüssen antiker Bildwerke, sondern mehrere tausend griechische und römische Originale aus Marmor, Terrakotta und Bronze, die aus Platzmangel allerdings nur zum Teil gezeigt werden können. Diese Sammlung allein lohnt einen Besuch. Zusätzlich sind es thematische Sonderausstellungen, die die Attraktivität des Akademischen Kunstmuseums steigern und auf öffentliche Breitenwirkung zielen. Erinnert sei nur an die großartige Etruskerausstellung 2008/09. Nun ist es eine Ausstellung zur antiken Töpfertechnik, mit der die Bonner Antikensammlung noch bis zum 17. April 2011 alles daransetzt, nicht als Cinderella-Collection etikettiert zu werden.


Akademisches Kunstmuseum Bonn - Foto © Museum
 
Technik und Kunst des Töpferns
 
Für die Liebhaber klassischer Musik ist die montags bis freitags ab 15.05 Uhr auf WDR 3 laufende Sendung „TonArt“ stets ein Hörvergnügen. In der vom Archäologischen Institut der Universität Bonn erarbeiteten aktuellen Ausstellung, die ebenfalls unter dem sinnigen Label „TonArt“ firmiert, geht es aber nicht um Hör- sondern um Sichtbares, nicht um den flüchtigen Reiz musikalischer Darbietungen, sondern um die Prozesse und Ergebnisse der Bewältigung von Materie, sprich des Rohstoffs Tonerde, durch Handwerker und Künstler vor allem im antiken Griechenland. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen nicht entwicklungs- und stilgeschichtliche, ästhetische und ikonographische Aspekte der griechischen Töpfer- bzw. Vasenkunst, sondern das zentrale Anliegen ist es, die

Bonner Werkstattfund mit rotfigurigen Scherben des Dinos-Malers
um 420-400 v. Chr - Foto © Museum
„Virtuosität der antiken Töpfertechnik“, so der Untertitel der Ausstellung, anschaulich darzustellen.
Dreh- und Angelpunkt der Ausstellung im Akademischen Kunstmuseum ist der sog. Bonner Werkstattfund. Es handelt sich um ca. 500 bemalte Scherben, die Anfang des 20. Jahrhunderts im Athener Töpferviertel Kerameikos entdeckt wurden und nach Bonn gelangten. Von dem jungen Bonner Archäologen Jan Marius Müller im Rahmen einer Abschlußarbeit bei Prof. Dr. Martin Bentz nach mehr als hundert Jahren wissenschaftlich neu bearbeitet, dient dieser Fundkomplex dazu, dem Besucher exemplarisch die wesentlichen in einer antiken Töpferwerkstatt anfallenden Arbeitsvorgänge aufzuzeigen. Ergänzt wird dieses Material durch weitere Exponate aus der Sammlung des Bonner Akademischen Kunstmuseums, durch den sog. Jenaer Werkstattfund und andere wichtige Leihgaben.
Die sehenswerte Ausstellung ist in vier Abschnitte unterteilt, die sich weitgehend aus der Produktionslogik antiker Gefäße ergeben: Im ersten Teil („TonFormen“) werden die geläufigen Töpfertechniken gezeigt, Teil zwei („FarbTöne“) veranschaulicht die verschiedenen Bemalungs- und Dekorationstechniken, der dritte Teil („Ton, Feuer, Scherben“) zeigt die Vorgänge beim Brand, Teil vier („TonStudio“) thematisiert den Werkstattbetrieb, das Verhältnis zwischen Töpfer und Maler sowie soziologische Besonderheiten wie etwa Fragen des sozialen (und ökonomischen) Status der Handwerker und Künstler, die teilweise zu beträchtlichem Wohlstand gelangen konnten.

Scherbe einer attisch-rotfigurigen Schale des sog. Jena-Malers
mit der Darstellung der Harfe spielenden Aphrodite um 420-400
 v. Chr - Foto © Rainer K. Wick
Es geht der Ausstellung also nicht darum, mit ästhetisch herausragenden Einzelstücken, wie sie sich weltweit in den großen Sammlungen finden, aufzuwarten, sondern gleichsam einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Daß dabei die epochalen Veränderungen von der schwarz- zur rotfigurigen und weiterhin zur weißgrundigen Vasenmalerei durch entsprechende Exponate aus archaischer und klassischer Zeit unmittelbar ablesbar werden, ergibt sich wie von selbst aus dem Material, das in den Vitrinen ausgebreitet wird, ist aber eher zweitrangig. Denn spannender als die Darbietung dieser allgemein bekannten Tatsachen ist der Blick auf technische Besonderheiten wie Ritz- und Pinseltechniken, Abweichungen zwischen Vorzeichnungen und endgültiger Ausführung, Figurenapplikationen, Reliefkeramiken mit Hilfe von Negativformen (Matrizen), Fehlbrände und Gefäßreparaturen. Das alles ist hochinteressant und wird in der Ausstellung, die gemeinsam von Lehrenden und Studierenden des Archäologischen Instituts der Universität Bonn erarbeitet wurde, beispielhaft dokumentiert, auch wenn sich dem Betrachter manches Detail nicht unbedingt spontan erschließen dürfte.
 
Man sieht nur, was man weiß
 

Schwarzfigurig-attische Kleinmeisterschale mit Töpfern an der Drehscheibe
um 540-530 v. Chr.
- Foto © Katalog
Ein bekannter Verlag wirbt für seine Kunstreiseführer mit dem eingängigen Slogan „Man sieht nur, was man weiß“ – übrigens keine genuine Erfindung dieses Verlags, sondern, wie könnte es anders sein, zurückführbar auf Goethe, von dem die Sätze „Was man weiß, sieht man erst“ oder „Man erblickt nur, was man schon weiß“ überliefert sind. Vor dem Hintergrund dieser prinzipiellen Einsicht sei dem interessierten Besucher dringend empfohlen, an den fachkompetenten Sonntagsführungen (immer 15 Uhr; Zusatztermine siehe unten) teilzunehmen. Und wer es ganz genau wissen will, sollte unbedingt das inhaltlich und gestalterisch ganz hervorragende, farbig bebilderte Begleitbuch zur Ausstellung erwerben, das dem Leser detailliert und fachlich fundiert die „Virtuosität antiker Töpfertechnik“ nahebringt. – Abschließend noch eine Anmerkung zu den Öffnungszeiten und mithin zur Öffentlichkeitswirksamkeit des Akademischen Kunstmuseums: Angesichts knapper Mittel sind Sammlung und Ausstellung nur an drei Tagen in der Woche öffentlich zugänglich (siehe unten). Während marode Banken mit Milliarden subventioniert werden, herrscht in der Kultur das Diktat des Rotstifts. Das Bonner Akademische Kunstmuseum aus Gründen der Unterfinanzierung in die Liga der „Cinderella Collections“ absteigen zu lassen, wäre – zumal unter dem Eindruck der aktuellen Sonderausstellung – allerdings ein höchst bedauerlicher Vorgang.
 
 
TonArt - Virtuosität antiker Töpfertechnik
Akademisches Kunstmuseum - Antikensammlung der Universität Bonn
Am Hofgarten 21

Amphora in Bleiglasurtechnik mit appliziiertem
Relief eines ityphallischen Pan, Mitte 2. Jh. n. Chr.

Foto © Rainer K. Wick
53113 Bonn
 
noch bis 17.04.2011; dienstags und donnerstags 16–20 Uhr, sonntags 11–17 Uhr ;
an Feiertagen sowie vom 03.03. – 08.03. 2011 geschlossen.
Eintritt: 1,50 €
 
Öffentliche Führungen jeden Sonntag 15 Uhr;
zusätzlich an folgenden Sonntagen um 11.15 Uhr: 06. und 20.02., 20.03. und 03.04.2011
 

Katalogbuch:
TONART. Virtuosität antiker Töpfertechnik
hrsg. v. Martin Bentz, Wilfred Geominy und Jan Marius Müller
250 Seiten, 260 Abbildungen, Hardcover
Michael Imhof Verlag; http://www.imhof-verlag.de/ - ISBN 978-3-86568-610-7
29,95 €; in der Ausstellung 22,– €