Gustav Wiethüchter –
eine Wiederbegegnung Das Wuppertaler Von der Heydt-Museum erinnert an einen vergessenen Künstler der Wupperregion Mit spektakulären Sonderausstellungen – zuletzt Claude Monet und Pierre Bonnard – hat es der Direktor des Wuppertaler Von der Heydt-Museums Gerhard Finckh geschafft, sein Haus in relativ kurzer Zeit in die erste Liga der deutschen Kunstmuseen zu katapultieren. Der Zuspruch eines breiten Publikums war enorm, und der nächste Paukenschlag, eine Werkschau des Impressionisten Alfred Sisley, steht bereits auf der Agenda (ab 13. September 2011). Da mag man sich die Augen reiben, wenn das Museum nun einen Künstler zeigt, dessen Name kaum jemand kennt und dessen Œuvre einen durchaus zwiespältigen Eindruck hinterläßt: Gustav Wiethüchter, geboren 1873 in Bielefeld, gestorben 1946 in Wuppertal. Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts war Wiethüchter ein in der Wupperregion be- und anerkannter Maler, der zudem als Lehrer an der Handwerker- und Kunstgewerbeschule in Barmen (damals eine eigenständige Kommune, bevor 1929 der Zusammenschluß mit Elberfeld zum heutigen Wuppertal erfolgte) geschätzt und angesehen war.
Künstlerische Spitzenleistungen fallen nicht vom Himmel, sondern können, soziologisch gesehen, nur auf den breiten Schultern eines soliden Unterbaus entstehen. Und es gehört sicherlich zu den Aufgaben eines Museums, nicht nur die Großmeister der Zunft zu sammeln, wissenschaftlich aufzuarbeiten und auszustellen, sondern auch die weniger herausragenden „Kleinmeister“ zu berücksichtigen, die für die jeweilige Region gleichwohl bedeutsam sind. Dieser Aufgabe hat sich das Wuppertaler Museum mit seiner derzeitigen Wiethüchter-Ausstellung aus aktuellem Anlaß unterzogen. Eine bereits im Museumsbesitz befindliche größere Werkgruppe des Künstlers wurde im Jahr 2010 durch eine Schenkung aus dem Nachlaß erweitert, so daß nun eine von einem Katalog begleitete Ausstellung erstmals seit Jahrzehnten einen Einblick in das Schaffen des Künstlers ermöglicht.
Ein rheinischer Expressionist?
Dieses Schaffen schwankt zwischen traditionsverhafteten Bildformen und progressiven Tendenzen, wie sie für die klassische Moderne der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts zeittypisch sind. Ihr Wurzeln haben die Werke des Künstlers im Symbolismus und im Jugendstil der Zeit um 1900. Impulsgebend war hier insbesondere der Schweizer Ferdinand Hodler. Dies ist auch die Zeit, als Wiethüchter nach Lehre und selbständiger Tätigkeit als Dekorationsmaler in Bielefeld sowie einem Studium an der Königlichen Kunstschule in Berlin und an der Unterrichtsanstalt des Berliner Kunstgewerbemuseums am 1.2.1900 seine Lehrtätigkeit in Barmen aufnahm. Anfänglich noch einer konventionellen Gestaltungsauffassung verhaftet, nahm er später Anregungen des Expressionismus, des Fauvismus und des Kubismus auf. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist das um 1920 datierte
Ob es berechtigt ist, Wiethüchter pauschal dem „Rheinischen Expressionismus“ zuzuschlagen (man denkt sofort an Macke und seine Malerfreunde), mag dahingestellt bleiben: zu schwankend, zu heterogen, zu uneinheitlich ist sein Œuvre, als daß eine derart eindeutige Zuweisung, wie sie kürzlich in einer Rundfunksendung erfolgte, umstandslos nachvollziehbar wäre. Zwar schloß sich der Künstler nach dem Ersten Weltkrieg der ästhetisch vom Pathos des Expressionismus, politisch von den Ideen des Sozialismus geprägten Berliner „Novembergruppe“ sowie der progressiven Düsseldorfer Künstlergruppe „Das neue Rheinland“ an, doch bleibt die Rolle, die Wiethüchter hier tatsächlich gespielt hat, ungeklärt. Der die Ausstellung begleitende Katalog gibt dazu keine nähere Auskunft, wie er überhaupt manche Frage offenläßt.
Heterogenes Schaffen
Landschaften und Stilleben der Zwanziger und Dreißiger Jahre zeigen einen Künstler, der sich in den Bahnen einer gemäßigten Moderne bewegte, teilweise aber auch ausgesprochen
Der Künstler als Lehrer Nicht Stillstand, sondern stete Emanzipation vom einmal Erreichten und permanente Fortentwicklung ist das, was von einem Künstler gemeinhin erwartet wird. Bei Wiethüchter stellt sich jedoch nicht so sehr der Eindruck einer kontinuierlichen Entwicklung als der einer problematischen Sprunghaftigkeit ein. Mag sein, daß dies mit seiner Tätigkeit als Lehrer und seinem pädagogischen Bemühen, den Schülern die unterschiedlichsten bildnerischen Haltungen nahebringen zu wollen, zusammenhängt. Hermann J. Mahlberg bemerkt in der von ihm herausgegebenen Schrift „Kunst, Design & Co“, die Lehrmethode Wiethüchters sei deshalb besonders gerühmt worden, weil sie „die je individuellen
Tragisch ist, daß große Teile des Œuvres des Künstlers im Krieg durch Bombeneinwirkungen verlorengingen. Nahezu vergessen starb Wiethüchter kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Wuppertal. Ihn ein Stück dem Vergessen entrissen und der lokalen bzw. regionalen Kunstgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zugänglich gemacht zu haben, ist das Verdienst der aktuellen Werkschau im Wuppertaler Von der Heydt-Museum.
Informatives: Die Ausstellung wird noch bis zum 26. Juni zu sehen sein. Eine Besonderheit ist, daß Besucher eine Vielzahl der ausgestellten Werke aus einer Schenkung der Enkel des Malers kaufen können. Das Museum möchte die Erlöse in eine Stiftung einbringen, die zum Ziel hat, Werk und Wirken Gustav Wiethüchters eingehend zu erforschen und zu dokumentieren. Zur Ausstellung ist im Verlag des Museums ein Katalog erschienen: 111 Seiten, gebunden, repräsentativ illustriert, 15,- €, ISBN 978-3-89202-079-0 Weitere Informationen unter: www.von-der-heydt-museum.de Redaktion: Frank Becker |