Hund und Kant
Natürlich rede ich mit meinem Hund. Okay, ich sage nicht zu ihm: „Meine Frau versteht mich nicht. Sie macht mich vor meinen Freunden runter. Sie erkennt nicht, wie ich mich bemühe. Wenn ich dich nicht hätte, würde ich mich erschießen.“ Aber wir unterhalten uns über Aussagen, die im weitesten Sinne auch ihn betreffen. Ich habe ihn jetzt mit den Theorien von Immanuel Kant vertraut gemacht. Er hat durchaus interessiert zugehört. Ich habe ihm gesagt: „Es ist so bequem für Hunde, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt, so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bellen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen. Nachdem sie ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht haben und sorgfältig verhüteten, daß diese ruhigen Geschöpfe ja keinen Schritt außer dem Haxtergrund, darin sie sie einsperreten, wagen durften, so zeigen sie ihnen nachher die Gefahr, die ihnen drohet, wenn sie es versuchen, allein zu gehen.“ Natürlich sind solche Gedanken für einen Hund auch sehr verwirrend. Meiner hört dann eine Zeit lang nicht mehr so gut und ich muß einiges investieren, um seine frühere Unmündigkeit erneut zu erlangen. © Erwin Grosche
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