Die Varusniederlage oder Die Schlacht im oder am Teutoburger Wald

Die Schlacht um die Schlacht - (Teil 8)

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Die Varusniederlage
oder
Die Schlacht im oder am Teutoburger Wald
Oder
Die Schlacht um die Schlacht
Die reine rheinische Wahrheit

- Teil 8 -
 
 
Die Hauptdarsteller




Der Varus, bzw. der Publius Quinctilius Varus - für mich immer noch der Antwerpes der Antike - war ein recht spezieller Fall. Über ihn schreibt derselbe Velleius Paterculus:
„Quinctilius Varus stammte aus einer angesehenen, wen auch nicht hochadligen Familie. Er war von milder Gemütsart, ruhigem Temperament, etwas unbeweglich an Körper und Geist, mehr an müßiges Lagerleben als an den Felddienst gewöhnt. Daß er wahrhaft kein Verächter des Geldes war, beweist seine Statthalterschaft in Syrien: als armer Mann betrat er das reiche Syrien, als reicher Mann verließ er das arme Syrien. Als er Oberbefehlshaber des Heeres in Germanien wurde, bildete er sich ein, die Menschen dort hätten außer der Stimme und den Gliedern nichts Menschenähnliches an sich und die man durch das Schwert nicht hätte zähmen können, die könne man durch das römische Recht lammfromm machen. Mit diesem Vorsatz begab er sich ins Innere Germaniens... und brachte die Zeit des Sommerfeldzugs damit zu, von seinem Richterstuhl aus Recht zu sprechen und Prozessformalitäten abzuhandeln.“
Ich meine: klares Porträt eines Verwaltungsbeamten auf hoher Ebene, alles schön aber alles auch ein bisschen farblos, oder?
 
Er hatte eine steile Karriere hinter sich gebracht: Statthalter in Afrika, dann Statthalter in Syrien und dann Germanien. Zwischendurch der Judenaufstand in Judäa, der fiel in seine syrische Zeit und da hat er sich zur Zeit der Geburt Christi keinen wirklich guten Namen gemacht: nach dem Tod des Herodes im Jahre 4 vor Christus (da hat der kleine Jesus aber schon gelebt!) brachen überall im Lande Aufstände aus, er hatte die Ehre, diese niederschlagen zu sollen, ist ihm auch gelungen, wie wir ja auch aus dem Neuen Testament wissen. Sepphoris, die Hauptstadt der Unruhen, hat er niederbrennen lassen und in Emmaus - Sie wissen schon, die Stadt mit den Jüngern - wo eine römische Kohorte überfallen und der Zenturio mit 40 seiner Soldaten erschlagen worden war, ließ er sämtliche Bewohner in die Sklaverei verkaufen. Und damits auch richtig ein rundes Fest wurde, hat er 2000 Rädelsführer ans Kreuz nageln lassen. Sie sehen: zimperlich war man in dieser Zeit nicht, oder?!
Das hätten die Kölschen anders geregelt: das hat ja Kardinal Höffner mal mustergültig formuliert, der auf die Frage, was denn der Unterschied zwischen Münster und Köln sei, antwortete: "Das ist schnell erklärt: die Münsteraner haben die Wiedertäufer aufgeknüpft, die Kölschen hätten sie im Rosenmontagszug mitlaufen lassen!".  
 
Und der kam nun nach Germanien - und wurde dabei von den Cheruskern fertig gemacht! Das ist das, was man die nemesis historica nennt, die Rache der Geschichte. Auf der anderen Seite haben wir den Cheruskerchef Segimer, seinen Sohn Arminius und Flavus, seinen Bruder, Segestes, den Schwiegervater vom Arminius und seine Tochter Thusnelda. Und das war ein Clan, kann ich Ihnen sagen, dagegen waren die Ewings aus Texas die reinste Heiligenfamilie.
Also das war so: Der Segimer der war nicht so ganz der Freund der Römer, er hat seine beiden Söhne nach Rom geschickt, damit sie dort zu richtigen Römern erzogen würden mit dem Hintergedanken, die Römer dann mit ihren eigenen Waffen quasi fertig zu machen. Hermännchen also kam nach Rom, wurde römischer Staatsbürger und zum Schein römischer Offizier, sein Deckname war Arminius, wie gesagt. Er hat sich nun nach oben gedient, alles mit einem Ziel vor Augen: den Moment abzuwarten, wo er die Römer mit ihren eigenen Waffen schlagen wird, nur wo, das wußte er noch nicht.
Nun war der Plan folgender: Hermann sollte als Cheruskerfürst und scheinbarer römischer Offizier heimlich die Völker in NRW hinter sich bringen: die Chatten, die Brukterer, die Chauken und die Marser, also die Lipper, die Ostwestfalen, die Sauerländer und die Rheinländer (inklusive der Bergischen), was ihm auch gelang und zwar vollkommen. Deshalb könnte man die Varusschlacht quasi als Gründungsversammlung und Geburtsstunde von NRW sehen, unter rheinischer Führung quasi. Und dann sollte zugeschlagen werden.
 
Nur: da war nirgends ein Niedersachse zu sehen, zumindest wird nix davon berichtet und gefunden hat man bei den Ausgrabungen auch keinen. Also: Osnabrück! Kalkriese! Ph! Dat wüßt ich ewwer!
Es hat auch alles geklappt. Im Frühherbst des Jahres 9 war er mit seinem Chef, dem Publius Quinctilius Varus im Weserbergland – was die dort gesucht haben ist bis heute rätselhaft, vielleicht waren die zur Kur dort, wegen Winseln an der Lues, wer weiß - und sollten jetzt zurück ins Winterlager, von dem kein Historiker weiß, wo es war, ich werde auch diese Wissenslücke füllen. Nun war das mit dem Arminius so: der war schon ein ziemlich intelligentes Bürschchen, er machte gleich eine steile römische Kariere, dahingegen sein Bruder Flavus (der Blonde) nicht so direkt.
Velleius schreibt über Arminius, er sei „tüchtig im Kampf und rasch in seinem Denken, ein beweglicherer Geist, als es die Barbaren gewöhnlich sind“. Dagegen blieb Flavus ein schlichter Unteroffizier, der Auszeichnungen gesammelt hat und stolz auf sie war - er gehörte im Gegensatz zu Arminius zur römischen Abteilung der Familie. Auszeichnungen sammeln! Ph! Da sieht man ihn ja vor sich stehen, irgendeinen römischen Schießprügel überm Arm und hinter ihm an der Wand der Bilderrahmen mit den SPQR-Abzeichen unter Glas. Und dann steht da drunter: Smyrna 1 n.Chr., Gallipoli 3 n.Chr., Stalingrad 3 n.Chr. und Bramsche-Kalkriese 9 n.Chr. und er guckt zahnlos aber glücklich in die Kamera! Das druckt doch noch nicht mal die Paderborner Bäckerblume ab, oder?! Dagegen Arminius!  Arminius war römischer Staatsbürger und hatte Ritterrang, das war schon was! Deshalb hatte er auch das Vertrauen vom Varus, weil der Arminius als richtiger Römer galt, der obendrein sich in der komischen Gegend da auskannte. Deshalb ist es ja so schwer, zu sagen, was das denn nun war: eine Schlacht oder eine Meuterei. Denn: gut, der Arminius hat sie fertig gemacht und 19.000 Legionären die Gurgel aufgeschlitzt, in Ordnung, es war Krieg, da hat man das schon mal. Andererseits war er da noch Römer, das heißt: das war Meuterei! Und tatsächlich galt er den Römern in erster Linie als Verräter und nicht als aufständischer Gegner. Jot. 
 
In dieser ganzen Frage: pro Römer oder nicht, war die Familie ein bißchen auseinandergefallen. Segimer und Arminius mit Thusnelda anti Rom, Segestes, der Vater von Thusnelda und Flavus pro Rom. Da hatten wir folgenden Fall - etwas, was in Korsika oder Sardinien zu jahrhundertelangen Blutrachen geführt hätte, woran man merkt, daß der Ostwestfale doch ein recht friedlicher Mensch ist - Arminius war scharf auf Thusnelda. Der Vater Segestes hatte sie aber schon einem anderen versprochen. Daraufhin raubt Arminius die Schöne und fertig. Thusnelda wird schwanger, Segestes holt sie sich dennoch zurück. Arminius läuft jetzt - 15 nach Christus - Sturm gegen die Burg vom Segestes, erfolglos, weil die Römer den Alten befreien. Folge: Segestes geht nach Rom, aber als Sieger und Thusnelda mit ihrem mittlerweile geborenen Sohn Thumelicus und ihrem Bruder Segimund als Gefangene.
In Rom nun sitzen am 26. Mai 17 nach Christus, was nach heutiger Rechnung ein Mittwoch war, und fast Vollmond hatten wir auch, da sitzen also der Segestus und der Flavus fett auf der Ehrentribühne im VIP-Bereich direkt neben dem Imperator, der dem Germanicus einen Triumphzug ohnegleichen beschert, in dem, halten Sie sich fest, Thusnelda, ihr Bruder und ihr neugeborenes Kind als Gefangene durch Rom gehetzt wurden. Wahrscheinlich hat er noch gewunken: „Huhu, Thussi, Hier bin ich?!“, der Drecksack. Och, is doch wahr. Und was is? Von der Thusnelda ist gerade mal ein Schimpfwort übrig geblieben: die Tussi! Das ist doch auch nicht richtig, oder? Den Arminius hats auch bös erwischt, der ist von der eigenen Sippe meuchlings gemeuchelt worden, na gut, wie, wenn nicht meuchlings, sollte man auch gemeuchelt werden!
 
Der Rest ist schnell erzählt. Aber das tu ich erst in der nächsten Woche - soll doch noch ein bißchen Spannung drin bleiben…
Bis dahin!
 
Ihr
Konrad Beikircher



Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2011
Redaktion: Frank Becker