Oper Dessau

Der Protagonist I Pagliacci

von Alexander Hauer
Dessau
 
Der Protagonist I Pagliacci
 
Zur Eröffnung des Kurt Weill Festes gab sich das Anhaltische Theater die Ehre zwei Opern über tödlich endeten Realitätsverlust zu geben: Kurt Weills selten gespielte Oper „Der Protagonist“ und Ruggero Leoncavallos „I Pagliacci“. Zweimal die „gleiche“ Oper, zweimal Frauenmord aus Eifersucht.

Der Protagonist

Weills „Protagonist“, 1926 in Dresden mit unglaublichen Erfolg uraufgeführt, beschäftigt sich weniger mit dem Mord, sondern eher mit der Frage: Wieweit dürfen Mäzene und Gönner in den laufenden
Theaterbetrieb eingreifen. André Bücker kümmert sich aber weniger um diese Frage, die heute aktueller ist als je, sondern richtet seinen Focus auf das kriminalistische Geschehen. Im beweglichen Bühnenbild von Oliver Proske versucht er Gründe für den Mord zu finden. Der Protagonist (Angus Wood) reist mit seiner Truppe und seiner Schwester umher, in Shakespeares Zeiten eher unüblich. Von einem zwielichtigen Wirt (Ulf Paulsen) werden sie argwöhnisch empfangen. Die Schwester des Protagonisten (Iordanka Derilova) läßt ihren Liebhaber (Wiard Withold) nachkommen. Sie möchte den jungen Mann ihrem Bruder vorstellen. Man probt für den ortsansässigen Adel eine Komödie. In der ausgelassenen Probenstimmung sagt sie ihrem Bruder, daß sie einen Freund habe. Er lacht sie aus und wünscht ihn zu sehen. Sie geht um ihn zu holen. Aus einer Laune heraus läßt der Herzog durch seinen Haushofmeister ausrichten, daß er lieber eine Tragödie sehen möchte. Schnell wird das Lustspiel umgeprobt. Als die Schwester mit ihrem Liebhaber erscheint, verwechselt der Protagonist Sein mit Schein und ersticht die in seinen Augen Untreue. Antony Hermus kommt mit der spröden, dem Moderne der zwanziger Jahre verhafteten Musik Weills bestens zu recht. Er leitet Orchester und Sänger mit schier schlafwandlerischer Sicherheit um die Klippen und Untiefen dieser Partitur. Iordanka Derilova und Angus Wood sind das (latent inzestiöse) Geschwisterpaar, beide kommen mit der hochdramatischen Partie im Zwölfton-Stil bestens zurecht. Wiard Withold als charmanter Liebhaber gewinnt mit sanftem Bariton. Ulf Paulsen kann als Wirt in einer sehr kurzen Partie überzeugen.

Der Bajazzo

Der zweite Teil des Opernabends kam gefälliger daher. Die eher sentimentalen Verismoklänge Leoncavallos sind geläufiger. Aber auch hier lauert das Böse. Der Prolog von Ulf Paulsen weist schon darauf hin. Kaum merklich verwandelt sich der sympathische „Prolog“ in Tonio, bei Bücker kein
bedauernswerter Behinderter, sondern ein hintertriebenes Dreckschwein. Sergey Drobyshevskiy gibt hier Canio, den Chef der Theatertruppe, Iordanka Derilova seine Frau Nedda. Wiard Witholt ist auch hier der Liebhaber. Von Nedda abgewiesen untergräbt Tonio das Verhältnis von Silvio und Nedda. Das Ende ist bekannt.
Die Anhaltische Philharmonie überzeugt auch im Verismofach genauso wie in der Moderne. Das Gesangspersonal wird von Bücker in guter Schauspielmanier geführt. Viel Wert wird auf ausdrucksstarkes Spiel gelegt, ohne dabei die gesanglichen Künste zu vernachlässigen. Die Szenen von Nedda mit ihrem ungeliebten Mann sind dabei genauso glaubwürdig, wie auch ihre Amour fou mit Silvio. Der angesagte Sergey Drobyshevskiy teilte sich klugerweise seine Kräfte für das „Ridi, pagliaccio“ auf, gewann dann aber auf ganzer Linie.
Der Abend war dann der Triumph der Stimmen und des Orchesters. Der Chor unter Helmut Sonne und der bezaubernde Kinderchor unter der Leitung von Dorislava Kuntschewa singen auf höchstem Niveau. Bückers Inszenierung läßt beide Stücke authentisch wirken, wenn ich persönlich auf den Auftritt der Komödiantentruppe im „Bajazzo“ per Fesselballon und das Kinderorchester, die Seiffener Engelchen ließen freundlich grüßen, im Zwischenspiel auch verzichten könnte.
Für Freunde des selten gespielten Weill abseits der „Dreigroschenoper“ und „Mahagonny“ ein Muß, für Freunde des Verismo sicherlich eine Option.
 
 
Bilder © Claudia Heysel

Redaktion: Frank Becker