John Constable - Maler der Natur

Eine Ausstellung in der Staatsgalerie Stuttgart

von Frank Becker

A cottage in a corn field
Maler der Natur
 
 
We see nothing truly until we understand it.
(John Constable)
 
 
Einzigartige Präsentation
 
Mit einer großen Ausstellung in der Staatsgalerie Stuttgart würdigt seit dem 12. März 2011 zum ersten Mal ein Museum in Deutschland derart umfangreich und informativ das Werk des englischen Malers John Constable (1776-1837), eines außerhalb Englands lange vernachlässigten Zeitgenossen des visionären William Turner. Der britische Kunsthistoriker Sean Rainbird, seit 2006 Leiter der Staatsgalerie, hat diese außergewöhnliche Präsentation, die dort bis 3. Juli 2011 zu sehen sein wird, nach Stuttgart geholt.
Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen in bester Gesellschaft einiger der hervorragendsten Ölgemälde/-skizzen Constables zwei erst jüngst restaurierte Hauptwerke aus der weltweit einmaligen Sammlung des Londoner, aus dessen Bestand sich die Stuttgarter Ausstellung im wesentlichen speist: „The Hay Wain“ (Der Heuwagen) und „The Leaping Horse“ (Das springende Pferd), die nun nach langer Zeit der Verborgenheit „wieder ihre volle Farbigkeit und ihren tonalen Reichtum“ vor dem Auge des Kunstfreundes entfalten. Die spektakuläre Auswahl von Ölskizzen Constables neben den präsentierten Gemälden war in dieser Fülle in Deutschland ebenfalls noch nie zu sehen, dazu eine erlesene Auswahl aus dem Reichtum seiner Aquarelle und Zeichnungen.
 
Ein Wanderer
 
Der prächtige Katalog zur Ausstellung erlaubt auch dem fernen Betrachter einen intimen Spaziergang durch Werk und Entwicklung des berühmtesten, häufig gefälschten und bis heute in seiner Heimat

Wolkenstudie
beliebtesten englischen Landschaftsmalers seiner Zeit. Von Mark Evans, Kurator des Victoria and Albert Museum herausgegeben und mit einer höchst aufschlußreichen, auch für Laien griffigen künstlerischen Biographie ausgestattet, führt der reich bebilderte Band im historischen Kontext auf den Spuren  Constables mitten hinein in die Malerei zur Zeit des Umbruchs der Kunstauffassung um 1800. Constable steht damit nicht nur als Zeitzeuge, sondern ähnlich wie Turner als Wanderer zwischen den Welten der klassischen Malerei eines Thomas Gainsborough, Thomas Jones oder Claude Lorrain und der Ahnung des Impressionismus der französischen Schule Courbets und der von Barbizon sowie der späteren dänischen Schule der Skagenmaler um Peder Severin Krøyer.
 
In sieben Etappen zu Constable
 
In sieben Schritten führen Mark Evans uns seine Mitautoren Christofer Conrad, Nicola Costaras und Clare Richardson an Constable heran und in die Ausstellung hinein: „Lehrjahre 1800-1809“, „East Bergholt: Skizzen nach der Natur“, „Skizzen und Ausstellungsbilder, 1819-1828“, Hampstead, 1820-1829“, „Brighton, 1824-1828“ und „Das letzte Jahrzehnt“.

Kohle-Schiffe am Strand von Brighton
Immer wieder hat Constable Motive seiner Heimat in Suffolk, so den Fluß Stour und die Felder der weiten Landschaft aufgegriffen („I associate my careless boyhood with all that lies on the banks of the Stour. Those scenes made me a painter and I am grateful - that is, I had often thought of pictures of them before ever I touched a pencil.“) – später orientierte sich sein Werk an den jeweils gewählten Lebensmittelpunkten Hampstead, East Bergholt, Flatford, Salisbury oder Brighton. Er richtete seinen Blick neben dem jeweilig bevorzugten Sujet immer nach „oben“, will sagen: die Wolken. Sie faszinierten ihn und mit den Stimmungen, die er aus ihrer Gestalt destillierte, stand er in seiner Zeit solitär („I know very well what I am about and that my skies have not been neglected, though they often failed in execution - and often no doubt from over anxiety about them.“) Erst spät, in Brighton, endeckte er die Küste mit ihren Schiffen und der Faszination des Übergangs vom Land zum Meer
Constable faßte die Malerei als Wissenschaft auf und sah in den Landschaften, die er skizzierte ein Stück Natur-Philosophie („Why, then, may not a landscape be considered as a branch of natural philosophy, of which pictures are but experiments?“)
 
Die Text-Erläuterungen zu den im Katalog abgebildeten Gemälden und Skizzen eröffnen dem Leser den Zugang zu den Werken im Detail.
Constable wurde nur 50 Jahre alt. Er starb am 31. März 1837.


Stour Valley, Blick vom Gun Hill

 
John Constable – Maler der Natur
Ölskizzen und Zeichnungen aus dem Victoria and Albert Museum, London
© 2011 Hatje Cantz, Hrsg. v. Mark Evans, 160 Seiten, 147 farbige Abb., 28,3 x 24,7 cm, gebunden mit Schutzumschlag – ISBN 978-3-7757-2990-1 - 29, 80 € - 43,90 sFr


Malvern Hall
 
Weitere Informationen unter: www.hatjecantz.de  und  www.staatsgalerie.de