Geiz ist Geiz

Philipp Preuss inszeniert in Moers Molieres "Der Geizige"

von Andreas Rehnolt

Geiz ist Geiz

Philipp Preuss inszeniert am Schloßtheater Moers "Der Geizige"
nach Molière als grelle philosophisch-kapitalismuskritische
Geschichte und als Theaterprobe
 
Biertischgarnituren, Handtuchstapel, eine Kaffeekanne, Aschenbecher, Wasserflaschen und ein ausrangiertes Klavier. Das ist am Schloßtheater Moers die Bühnenausstattung für "Der Geizige" nach Jean Baptiste Molière. Philipp Preuss, der für Inszenierung und Ausstattung von zwei köstlichen Theaterstunden verantwortlich zeichnete, hat auch bei der Requisite reichlich gegeizt. Sichtbar Barock ist bei ihm allenfalls die ein oder andere Perücke, ansonsten ist das Stück im Hier und Jetzt angesiedelt - und in der Phantasie des Publikums.
 
Das erlebt auf der Bühne mal die Probenbesprechungen mit und mal das von Geiz und Habgier geprägte Familienleben im Hause Harpagon. Beides vermengt sich im Verlauf des Abends mehr und mehr und ist kaum noch auseinanderzuhalten. Viel Originaltext ist nicht zu hören, dafür liefert die flotte Inszenierung reichlich  Philosophisches von Peter Sloterdijk, recht viel Theaterkritisches von Daniel Kehlmann und als Running Gag jede Menge Geburts- und Todesdaten aller irgendwie beteiligten Geistesgrößen.
 
"Das Stück kann man nicht mehr erzählen", sagt der auf der Bühne als Regisseur und geiziger Harpagon genial spielende Frank Wickermann gleich zu Beginn. Es sei längst abgespielt und nur noch totes Repertoire-Theater. Und so wird der Marxismus, die Mehrwert-Theorie, des Kapitalismus und der Zins-Stress der Kapitalmärkte bemüht, um die Ursachen für den quälenden Geiz und die Gier nach mehr zu ergründen. Wunderbar der Einfall, die Mitgift für die von Harpagon begehrte Hübsche hochzurechnen mit all den Ausgaben, die die Auserwählte verspricht, nicht zu tätigen.
 
Grandios die vier übrigen Schauspieler. Katja Stockhausen in der Doppellrolle als Marianne und herrlich lasziv-vulgäre Frosine. Patrick Dollas als Valère und Jacques. Marieke Kregel als Elise, die wahrhaft göttlich die ganze Truppe zum gegurgelten Ave Maria führt. Und Matthias Heße als Cléanthe, der heftigst gedemütigt wird und am Ende wie eine Horrorfigur mit dem ebenfalls mutierten Papa Harpagon minutenlang im Theaterblut-Rausch wütet.
 
Viel Action, viel Klamauk, viel Lärm und 5.000 Euro in Zehn-Euro-Scheinen gibts in der kurzweiligen Inszenierung. Am Ende jedoch sind die Scheine verschwunden, um deren Sicherheit sich Harpagon geifernd und speiend sorgt. Wer sie hat, ist nicht herauszufinden. Möglicherweise hat sie der per Mobiltelefon herbeigerufene echte Pizza-Lieferant eingesteckt? Die Margheritas in den Pappschachteln sind real, werden ebenso real mit echtem Geld bezahlt und dann in einer  dekadenten Orgie vertilgt. Das heiße Bad dagegen bleibt nur heißer Dampf und Qualm. Die fünf Akteure machen auch mal die Kutsche, ein Pferd, das Sofa und den Flügel.
 
"Der Geizige", der Sohn und Tochter für jeweils reiche Mitgift unglücklich verkuppeln wollte,  verweigert bei Preuss dann noch das Molière'sche Happy-End. Das gibt's dann erst, nachdem die gesamte Truppe nach dem Motto "Haste mal zehn Euro" das Publikum angeschnorrt hat und bei einem Zuschauer auch fündig wird. Das kann dauern, schließlich trennt sich auch der Theaterbesucher - ähnlich wie Dagobert Duck - nicht gern von einem Zehner. Am Ende dann wirds hinter einer Leinwand dann auch noch erotisch.


Foto © Frank Becker
 
Als freizügiges Schattenspiel sieht man dort zu barocken Klängen, wie sich Valère und Marianne, Elise und Cléanthe an- und miteinander vergnügen. Ein paar Puristen zeigten sich am Premierenabend in Moers entsetzt. Experimentierfreudigere Theatergänger jedoch waren mehr als angetan von dieser Inszenierung und geizten zum Schluß nicht mit lebhaftem Applaus.
 
Weitere Aufführungen im Moerser Schloß gibt es am 15. und 29. April, am 7., 12. und 17. Mai, am 3., 9. und 25. Juni sowie am 3. Juli jeweils um 19.30 Uhr.
 
Karten und Informationen unter: 02841-8834110 sowie im Internet unter www.schlosstheater-moers.de