Piaf

Chanson-Dinner mit Julia Meier

von Martin Hagemeyer

Julia Meier - Foro: privat
TiC auf Lüntenbeck:
Genießen wie Gott in Frankreich

Trotz aller „Event“-Dinners: Es soll ja Leute geben, die glauben, daß Theater und Essen nicht zusammen passen. Das beste Gegenbeispiel gibt es jetzt auf Schloß Lüntenbeck zu erleben: In Kooperation mit der dortigen Küchenmeisterei präsentiert das TiC hier den Abend „Edith Piaf: Nein, ich bereue nichts“ mit Solistin Julia Meier, und damit eine wunderbar passende Verbindung von Kultur und Gaumenfreuden. Denn ob auf der Bühne oder auf dem Teller: Was bei dem neuesten Streich des Teams von der Borner Straße geboten wird, ist Stil und Geschmack pur – und zugleich ein Fest für die Sinne.
 
In puncto Stil läßt schon die Örtlichkeit nichts zu wünschen übrig. Wer sich selten nach Varresbeck verirrt, mag nun erst einmal so recht entdecken, mit was für einem Kleinod der Elberfelder Westen hier glänzen kann. Im zweiten Stock des zartgelben Barockgebäudes mit schmuckem Turm betritt man den Saal und nimmt Platz an einem der drei langen, weiß eingedeckten Tische… man muß schon sagen: Tafeln. Und auch die sinnlichen Freuden lassen nicht lange auf sich warten: Als Vorspeise werden vier Schüsselchen mit kleinen, feinen Variationen aufgetragen, die es in sich haben. „Auberginenkaviar“ etwa, wie ihn die Karte vermeldet, ist zuvor vermutlich nicht jedem Gast schon begegnet – und die rötliche Substanz entpuppt sich als überraschend würziger und fruchtiger Einstieg. Zum Feldsalat mit Walnüssen wiederum schmeckt der aromatische Blauschimmelkäse sehr gut.
 
Drängen diese Köstlichkeiten das dann beginnende eigentliche Bühnenprogramm des Abends an den Rand? Nicht im Geringsten. Wenn Julia Meier singt, denkt kein Mensch ans Essen. Die junge Frau hat einst beim TiC die berühmten weltbedeutenden Bretter kennengelernt und ist seitdem ein paar große Schritte weiter gekommen: Derzeit studiert sie Musical an der exklusiven Folkwang-Hochschule in Essen und weckt Hoffnungen, daß sie es Größen wie Christoph Maria Herbst oder Patrick Stanke nachtun könnte, die ihre bundesweiten Karrieren bekanntlich ebenfalls beim Dörper Theater starteten. Doch konkret: Im Lüntenbecker Saal spielt sie nun Edith Piaf als erstes abendfüllendes Solo, und Raum wie Rolle füllt sie ganz aus.


Foto © Martin Mazur
„Nein, ich bereue nichts“ bringt die berühmten Chansons der Piaf, eingebettet in ihre Biografie – aber so, als wäre es Edith Piaf selbst, die sie erzählt. Denn das Programm, von TiC-Geschäftsführer Ralf Budde verfaßt und einst am Landestheater Coburg uraufgeführt, stellt Original-Äußerungen der Chanson-Ikone zusammen und ist gedacht für eine Darstellerin, die von Anfang bis Ende deren Rolle einnimmt. Julia Meier macht das großartig. Intensiv und voller Charme zeigt sie eine Piaf, die in ihrer Musik aufgeht. Sie wiegt sich übermütig im Takt, flirtet mädchenhaft mit dem Publikum, um im nächsten Moment theatralisch Positur einzunehmen – wie es das jeweilige Lied eben will. Und der Gesang: Die Stimme ist schön und stark – und bleibt es auch in hohen Tonlagen wie bei „Sous le ciel de Paris“ oder wenn es dramatisch wird… was oft vorkommt, am bekanntesten im Klassiker „Non, je ne regrette rien“.
 
Höchste Zeit, zwei Akteure zu erwähnen, die sich im Hintergrund halten, obwohl sie unverzichtbar sind für den Abend: Stefan Hüfner, musikalischer Leiter wie so oft, spielt gewohnt versiert den Flügel, und Eva Maria Mitter führt ruhig und gekonnt ihr Akkordeon. Perfekt auf die Sängerin abgestimmt, sind sie, man muß wohl sagen: verläßliche Begleiter und sichern erst den richtigen „Chanson-Sound“.  
Nicht zu vergessen ist auch, daß das Ganze ja auch ein Querschnitt durch das Leben der Piaf ist – und das rückt manchen bekannten Titel in ein anderes Licht: Wenn die ersten Töne von „L’accordeoniste“ erklingen, hat man gerade erfahren, daß ihre große Liebe Marcel Cerdan bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen ist, und ihren trotzigen Kommentar vor dem Auftritt gehört: „Ich werde singen!“ Der Profiboxer (von ihm hatte sie nach einer schweren Lebenskrise gesagt: „Er lehrte mich wieder zu leben.“) war immer viel unterwegs gewesen – wohl in Erinnerung an ihn schüttet Piaf nun einen Koffer voller Luftpostbriefe aus. Die bedecken dann am Ende den

Foto © Martin Mazur
Bühnenboden zusammen mit zahllosen Rosen – ein Bild, das im Kopf bleibt: Die Liebe ist ja Piafs großes Thema, musikalisch wie persönlich.
 
Doch keine Sorge – auch die kulinarische Seite des Abends bleibt in äußerst angenehmer Erinnerung: Zum Hauptgang in der Pause fahren die hilfreichen Hände von der Küchenmeisterei drei warme Spezialitäten auf, die wieder handlich portioniert und fein präsentiert sind – klassisch-säuerlich kommt das Boeuf bourguignon daher, recht süßlich das leckere Etwas Zwiebelkuchen. Und zum Dessert nach Spielende gibt es unter anderem eine Schokoladenmousse mit locker-leichter Haube in Cappuccino-Manier zu entdecken oder Miniaturen in eleganter Eiform (nur die Bezeichnung „Tarte“ verwundert etwas), gefüllt mit einer frischen Zitronencreme.
 
Fazit: „Edith Piaf: Nein, ich bereue nichts“ auf Schloß Lüntenbeck ist ein ganz besonderes Erlebnis, das allerdings mit immerhin 85 Euro pro Person zu Buche schlägt. Doch nach all den wirklich außergewöhnlichen Genüssen für Augen, Ohren und Geschmacksnerven möchte man auch zum Preis fast sagen: Ich bereue nichts – aber eigentlich ist der Abend für solche Kalauer viel zu stilvoll…
 
 
Für die nächsten Termine (8.6., 10.7.) gibt es noch Karten! Reservierungen unter 0202/5119951 oder 0202/ 7472424
Informationen auch unter: www.restaurant-kuechenmeisterei.de