Der Vogel, scheint mir, hat Humor

Edith Braun - "Geheimsache Max und Moritz"

von Frank Becker
Der Vogel, scheint mir, hat Humor

Mit gelehrtem Fleiße hat die Juristin und Sprachwissenschaftlerin Dr. phil. Edith Braun ein Buch untersucht, das sich im Laufe von 150 Jahren listig, ganz unauffällig und selbst von Zensur- und Staatsschutzbehörden unbemerkt in Abermillionen Exemplaren
Eingang in bürgerliche Haushalte, nein: Bücherschränke - oder noch besser Regale von Kinderzimmern verschafft hat. Ja, auch in ihrem und ihrem, ja meinem Schrank hält es sich versteckt, das Werk, welchem Frau Dr.  Braun jetzt die Larve vom Gesicht reißt: "Max und Moritz" - ganz recht, die böse Bubengeschichte unseres verehrten Meisters Wilhelm Busch.

Herausgekommen ist bei akribischer Recherche und (siehe Buch- Rückseite) mit Augenzwinkern ein Mordsspaß, der in bester Tradition der Untersuchungen eines Traxler, von  Pidde oder Gans ein Hauptwerk der deutschen Jugendliteratur, einen Klassiker, an dem sich einer der ersten wirklichen Comics, Lyonel Feiningers "Katzenjammer Kids" orientiert, köstlich konterkariert. Edith Braun belegt, daß diese Zeichengeschichte Buschs eine unverhohlene, wenn auch gut versteckte Hymne an die deutsche Revolution von 1948/49 und die  Nationalversammlung in der
Frankfurter Paulskirche, zugleich eine beißende Kritik an den politischen Verhältnissen und den Inhabern der realen Macht war. Das tut sie mit so viel Überzeugungskraft und scheinbar unwiderlegbaren Indizien, daß man ihr fast so auf dem Leim gehen möchte wie Buschs berühmter Vogel:

Es sitzt ein Vogel auf dem Leim,
Er flattert sehr und kann nicht heim.
Ein schwarzer Kater schleicht herzu,
Die Krallen scharf, die Augen gluh.
Am Baum hinauf und immer höher
Kommt er dem armen Vogel näher.
Der Vogel denkt: Weil das so ist
Und weil mich doch der Kater frißt,
So will ich keine Zeit verlieren,
Will noch ein wenig quinquilieren
Und lustig pfeifen wie zuvor.
Der Vogel, scheint mir, hat Humor.
 

Chapeau! Das hätten selbst die oben erwähnten und unten noch einmal genannten Herren nicht besser hinbekommen!

Literaturtips:
- Martin S. Gans - "Das wahre Leben des Donald D."
  (Entenhausens unglaubliche Geschichte) - 1984 Kolkhorst     
  Verlag, Stuttgart

- Hans Traxler - "Die Wahrheit über Hänsel und Gretel", 1963
  Verlag Bärmeier und Nikel
  2007 Verlag Philipp Reclam jun.
- Ernst von Pidde - "Richard Wagners Ring des Nibelungen im 
  Lichte des deutschen Strafrechts, 1968 Verlag Bärmeier und
  Nikel
- dass. 1979 Verlag Hoffmann und Campe
Beispielbild


Edith Braun
Geheimsache Max und Moritz
Wilhelm Buschs bester Streich

239 Seiten geb. mit vielen Illustrationen, Literaturhinweisen und Zeittafel

© 2005/2007 Gollenstein Verlag

Weitere Informationen unter:
www.gollenstein.de