Tödlicher Humor

Harry Luck - "Lachen und Schießen"

von Frank Becker
Ein Abgesang aufs Kabarett

Anneke van Royen macht alles wieder wett, was seit Johan Cruyff an Abneigung gegen Oranje in mir schwelte. Die patente holländische Kommissarin wird im Europol-Austausch-Programm für ein halbes Jahr nach München versetzt, wo sie im Kripo-Team der Münchner MK 3 unter Hubert Neidlinger, der "Männer-WG", auch gleich in den sehr komplexen Fall eines scheinbaren Serientäters gerät, der offenbar unter Kabarettisten und Stars der Comedy eine Todesliste abarbeitet.

Harry Luck, neben Max Bronski längst anerkannter Spitzen-Autor für unterhaltsame München-Krimis, hat sich für seinen jüngsten Roman hervorragendes, sympathisches neues Personal ausgedacht - und er läßt die Handlung in einer sehr populären Umgebung spielen, die durch ihr mannigfaltiges Fernseh-Angebot in allen Wohnstuben der Republik bestens bekannt ist: dem Geschäft mit vordergründigem Spaß. Das gute alte Ensemble-Kabarett scheint am Ende zu sein, die platte Fließband-Kalauer-Industrie scheffelt Geld. Es ist wie mit den gepflegten kleinen Buchhandlungen, die überall den großen, alles Individuelle verschlingenden Ketten wichen müssen. So geht es auch der Münchner "Lach-Kompanie", deren letzter Dinosaurier Lorenz Merz am Morgen nach der letzten Vorstellung auf der Bühne des vom Konkurs bedrohten traditionsreichen Unternehmens erschossen aufgefunden wird. Was nach einer Einzeltat an dem designierten Barnabas für den nächsten Starkbieranstich der CSU auf dem Nockherberg aussah, entwickelt sich schnell zur Serie, denn ein Unbekannter streckt auch Toni Paroli nieder, der auf Wunsch der CSU nun Merz´ Stelle beim Derblecken mit weniger politischem Zündstoff einnehmen sollte und tötet den Komiker Horst Bendix nach dessen Auftritt im "Schlachthof".

Daß die Anschläge Lücken in die Phalanx des Comedy-Geschäfts reißen, läßt befürchten, daß die Serie weitergeht. Die Soko aus Anneke,
ihrem Münchner Kollegen Lukas Schmidtbauer, Kies Grötzinger und Natascha von der MK 1 glaubt, daß es Franz Pröse al. Max Metulskie treffen könnte, einen Unsympathen, der mit billigen Zoten ganze Stadien füllt und Millionen verdient. Ihn zu schützen stellt sich als schwierig vor, denn er will sich nicht verstecken, schon gar nicht den nächsten großen Auftritt absagen. Es gibt viele Verdächtige, denn eine Reihe von Leuten könnte ein Motiv haben. Die Ermittlungen führen u.a. zum einflußreichen und knallharten Chef der Benedictus-Brauerei Rolf Eberehartinger, zum Gag-Schreiber Ernst Grau, zum Business der Gag-Factory, zu einer Stalkerin, in hohe politische Kreise und zum Doyen der Szene, dem Alt-Kabarettisten Alfons Hedderich. Daß dabei ganz nebenbei die alte und neue Münchner Kabarett-Welt gespiegelt wird, ist Harry Lucks genauer Recherche zu verdanken. So läßt nicht nur der Titel "Lachen und Schießen" an Münchens berühmtestes Kabarett der Nachkriegszeit denken. Die derzeitige Talentschmiede "Schlachthof" spielt eine Rolle, man muß an viele berühmte Nockherberg-Derblecker denken, und daß und Max Metulskie an den unappetitlichen Großverdiener Mario Barth erinnert, ist sicher kein Zufall.

Temporeich, spannend und mit neben den Protagonisten gut gezeichneten Randfiguren erzählt Luck die Geschichte dieses gelungenen klassischen "Whodunit". Der Epilog macht Hoffnungen auf einen neuen Anneke van Royen/Lukas Schmidtbauer-Krimi und läßt auch für das Kabarett einen Hoffnungsschimmer leuchten.

Beispielbild


Harry Luck
Lachen und Schießen
Kriminalroman

© 2011 Emons Verlag
191 Seiten, Broschur
9,90 €

Weitere Informationen:
www.emons-verlag.de