Das Menetekel

Anatoly N. Tkachuk - "Ich war im Sarkophag von Tschernobyl"

von Robert Sernatini
Es geht um das Überleben der Menschheit

Fast exakt ein Vierteljahrhundert nach dem ersten weltweit bekannt gewordenen "Größten anzunehmenden Unfall" (GAU) in dem russischen Atomkraftwerk von Tschernobyl, der eigentlich wie ein flammendes Menetekel das Fanal zur Abkehr von dieser völlig unkontrollierbaren Energiequelle hätte sein sollen, ist es wieder passiert. In Japan hat der sorglose Umgang mit der Elementarkraft Atom zu einem katastrophalen GAU im Kraftwerk von Fukushima geführt, der sich diesmal zwar vor den Augen der Öffentlichkeit abgespielt hat, dennoch aber wieder mit erstaunlicher Effektivität heruntergespielt und vertuscht wird. Wir Normalverbraucher wissen nicht, wie viele solcher oder ähnlich verheerenden Unfälle sich hinter dem Eisernen Vorhang oder auch im vermeintlich demokratischen Westen ereignet haben, seit der Mensch glaubt, das Ungeheuer Atomkraft zähmen zu können. Es wird sicher noch mehr geben, was uns verschwiegen wird.

25 Jahre nach dem 26. April 1986, als der Reaktorblock 4 des ukrainischen Atomkraftwerks explodierte, erhebt der frühere sowjetische Raketen- und Sicherheits-Offizier Anatoly N. Tkachuk, der für den Schutz der Männer verantwortlich war, die nach dem Reaktorunfall als "Liquidatoren" ihr Leben aufs Spiel setzten, in seinem Buch
"Ich war im Sarkophag von Tschernobyl", das weit mehr ist als ein Roman, eindrucksvoll und unmißverständlich warnend die Stimme. Tkachuk kennt beide Seiten der Nutzung und des Mißbrauchs der Kernkraft, die militärische und die zivile. In seinem Buch  berichtet er nicht nur von dem für viele der Ersthelfer und Liquidatoren tödlich verlaufenen Einsatz zur Begrenzung der Unfall-Folgen von Tschernobyl. Als Offizier war er bei der Armee an der Stationierung und den Tests sowjetischer Kernwaffen beteiligt gewesen und hatte bereits dort, auch durch Unfälle mit schrecklichen Folgen, einen sehr persönlichen Begriff von dem Risiko bekommen, der seine Abkehr vom Glauben an die Beherrschbarkeit manifestierte. Seinem erschütternden Bericht vom Kampf gegen die tödliche Strahlung und die Plutonium-Wolke, die halb Europa überzog und nachhaltig vergiftete, stellt er die im Kalten Krieg jahrzehntelang drohende Gefahr eines alles Leben auf der Erde vernichtenden Atomkrieges - zu dem West und Ost gleichermaßen bereit waren - voran. Wo sich zum Glück die waffenstarrenden Machtblöcke besonnen hatten, die Büchse der Pandora nicht zu öffnen, hat die staatliche und private Energiewirtschaft mittlerweile längst ohne Bedenken den Deckel angehoben.

Die romanhaft verpackte Wirklichkeit wird durch umfangreiche Beigaben von Original-Fotografien erschreckend deutlich und durch einige wissenschaftliche Aufsätze und Statistiken im Anhang ergänzt. Aus dem Verlagstext zum Buch: "...Tschernobyl brennt noch immer. Der auf 20 Jahre angelegte Sakophag zerbröckelt, Europas Grundwasser ist gefährdet. - Es geht nicht mehr um Politik und Macht, sondern um das Überleben der Menschheit."

Dem kann ich nichts hinzufügen.

Beispielbild

Anatoly N. Tkachuk
Ich war im Sarkophag von Tschernobyl

Der Bericht des Überlebenden

© 2011 Styria Verlag

318 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, illustriert
24,95 €

Weitere Informationen unter:
www.styriabooks.at