Schwebe-Slam
Zum 110. Geburtstag der weltweit einzigartigen Wuppertaler Schwebebahn hatten sich der Autor und Literatur-Organisator Ulrich Land, die Verkehrsbetriebe der Bergischen Stadt und der Rundfunksender WDR 3 dem literarischen Trend der Zeit folgend etwas Besonderes ausgedacht: einen hochkarätigen Poetry-Slam mit der Schwebebahn als Thema, der die Genres und Generationen der regionalen Literatur zu einer mehr als zweistündigen Lesung zusammenbrachte. Nach einer Kaiserwagen-Fahrt von Oberbarmen nach Vohwinkel traten in den Räumen der Schwebebahn-Verwaltung mit dem seltenen Blick auf die Wende-Anlage Ulrich Land, David Grasshoff und André Wiesler (Wuppertaler Wortpiraten), Dieter Jandt, Rebekka Möller, Mitch Heinrich, Karl Otto Mühl, Hermann Schulz und Wolf-Christian von Wedel-Parlow ans Mikrofon, um dem Publikum im ausverkauften Saal ihre zum Teil eigens für diesen Abend geschriebenen Erzählungen, Gedichte, Kurzgeschichten zu präsentieren. Es wurde ein äußerst kurzweiliger Abend voller literarischer Delikatessen und eingestreuter musikalischer Perlen von Michael Burger an der akustischen Gitarre.
Der Laut-Poet Michael (Mitch) Heinrich eröffnete den Reigen mit einer seiner hinreißenden phonetischen Illustrationen der Wirklichkeit, die er "Schwebelautpoesie" genannt hat und mit der er die Zuhörer quasi hautnah an die Bahn brachte. So haben Sie die 20 Stationen bisher sicher nicht wahrgenommen - aber von jetzt an! Von ihren Erlebnissen, Erinnerungen und Träumen, dem Leben mit und sogar in der Bahn, die zwar nicht unablässig , aber doch von frühen Morgen bis kurz vor 23.00 Uhr die 13,3 Kilometer hin und zurück rollt, berichten die Impressionen, Fiktionen und Späße Jandts, Grashoffs, Wieslers, Lands und Mühls, dem übrigens bis heute niemand glauben will, daß einmal für kurze Zeit die Schwebebahn gestohlen worden sei. Von neidischen Düsseldorfern natürlich. Karl Otto Mühl zitierte auch ein Kapitel aus seinem Roman "Siebenschläfer". Wolf Christian von Wedel-Parlow erzählte in "Glänzende Auen" von der gar nicht mal so abwegigen Idee, die Schwebebahn abzureißen und zu verkaufen - schließlich haben die Wuppertaler Stadtväter schon wesentlich dümmeres getan. Hermann Schulz führte pointiert zum Amüsement des Publikums lächerliche TV-Quizsendungen am Beispiel von "Wer wird Millionär" und einer strittigen Schwebebahnfrage vor. Wissen Sie denn warum Ende des 19. Jh. die Schwebebahn gebaut wurde? Wirklich, um den Sozis eins auszuwischen...? Die ganz große Überraschung des Abends war die jüngste Autorin und Poetry Slammerin Rebekka Möller (19), die mit ihrem Wuppertaler Stimmungsbild "Über den Dächern einer Stadt" literarisch den Vogel abschoß. Einige der erwähnten Beiträge werden im Laufe der Zeit zum Nach-Lesen hier in den Musenblättern veröffentlicht. Texte von und über Karl Otto Mühl, Hermann Schulz, Wolf Christian von Wedel Parlow, Ulrich Land und Mitch Heinrich finden Sie bereits auf unseren Literaturseiten. Nebeneffekt der Veranstaltung: man möchte sogleich die ganze Schwebestrecke mit dem dabei gewonnenen Blick auf das 110 Jahre alte Verkehrsmittel rauf und runter gondeln, um diese Bahn völlig neu zu er-fahren.
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