Fukushimapsalm
Was wolltest du uns sagen, Herr, als du
Zehntausende von uns im Meer ertränktest
und mit solcher Wut an unsrer Küste rütteltest,
daß dein Sternenfeuer, das zu holen du uns
eingabst schon vor Zeiten, gefährlich
aufglühte und unsrer Hand entglitt?
Haben wir dich nicht genug gelobt, oh Herr?
Lag noch kein Brennstab auf dem Erntedankaltar?
Haben wir noch immer nicht verstanden, daß
du nicht aufhörst, deine Schöpfung zu vollenden?
Gabst uns das künstliche Gehirn, wir dankten nicht.
Gabst uns das mobile phone, wir dankten nicht.
Ließest uns Monde an den Himmel heften,
die nun kreisend schweben und unsere Wege
lenken, scheinbar Menschenwerk, für das
zu danken uns blasphemisch schien.
Oder war’s dein Zorn, weil wir mißbrauchten,
was du uns gegeben, statt Maschinen anzutreiben,
dein Feuer nahmen, titanengleich,
um ganze Landstriche zu verheeren,
samt Mensch, Gewürm und Tier, und noch
Abertausende solcher Bomben in unseren Bunkern
horten, fähig, alles Leben zu vernichten erdballweit?
Oder wolltest du uns warnen nur, mit mehr
Feingefühl dein Feuer zu umhegen, das nicht
duldet Gedankenschlaf und dummes Wiegen in
unglaubhafter Sicherheit, sondern wache Sinne fordert
für dieser Urkraft lauernde Gefahrenträchtigkeit?
Oder bereust du deine Gabe, Herr, hast dich
geirrt in deiner Knechte Fingerfertigkeit,
zu zähmen, was bisher nur dir gehorchte,
schickst deshalb den einzgen Menschenstamm,
den du begabt mit feiner Witterung und Angst,
daß er verkünde dem gesamten Erdenrund,
es sei nicht menschenmöglich, zu zügeln
diese Urgewalt, die unbändiger als alles,
was Menschen je in ihre Hand bekommen?
Oh Herr, du bist so unergründlich, willst,
daß wir selbst entscheiden, was dein Wille ist,
und dir gehorsam sind.
Wolf Christian von Wedel Parlow
© Wolf Christian von Wedel Parlow, Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2011
|