Warum wir unbedingt eine Neudefinition des Urheberrechts brauchen

Ein Kommentar

von Rebecca Randak
"Mashup is not a crime":
Warum wir unbedingt eine Neudefinition
des Urheberrechts brauchen
 
Berlin, 28. Juni 2011 - Bekannte Songs zerlegen, vermischen und neu zusammensetzen - mit diesem musikalischen Erfolgsrezept erfreut Europas bekanntester Mashup-Produzent und -DJ Mashup-Germany (www.mashup-germany.de) seine stetig wachsende Fangemeinde. Mit der Veröffentlichung seiner musikalischen Kreationen verstößt er jedoch genau genommen gegen das deutsche Urheberrecht, welches die unerlaubte Weiterverwertung von geistigem Eigentum anderer verbietet. Dieses steht allerdings im Widerspruch zu den Nutzungsgewohnheiten von Musikfans im digitalen Zeitalter, die ihre Lieblingstracks nicht mehr nur konsumieren, sondern auch verändern und mit ihrem sozialen Umfeld teilen möchten.
 
DJ Mashup Germany
 
Aus diesem Grund fordert Mashup-Germany einen radikalen Neuansatz beim Urheberrecht für mehr künstlerische Vielfalt. Nun gibt er einen Überblick über die Schwierigkeiten der rechtlichen Lage, erste Lösungsansätze und darüber, welche Rolle Mashups in der Diskussion spielen:
 
Welche Probleme bringt das deutsche Urheberrecht im Musikbereich mit sich?
 
Es ist schlichtweg nicht mehr zeitgemäß und sowohl für Konsumenten als auch für Produzenten mehr als suboptimal. Konsumenten bewegen sich ständig im Bereich des Illegalen, zum Beispiel beim Downloaden von Musik oder auf YouTube. Das betrifft vor allem transformative Werke, also neue Werke, die aus bereits bestehenden erstellt werden. Streng genommen verletzt sogar jedes zweite YouTube Video das Urheberrecht. Das Absurde daran ist, dass eine rechtliche Verfolgung dieser millionenfachen Rechtsverstöße sowieso keinen Sinn macht. Aus diesem Grund brauchen wir unbedingt eine Legalisierung von privater, nicht kommerzieller Medienproduktion.
 
Warum wird die rechtliche Lage dann nicht den neuen Gegebenheiten angepasst?
 
Weil es niemanden mit politischem Einfluss gibt, der ein Interesse an einer Anpassung hat. Um einen Konsens über die Neudefinition von geistigem Eigentum zu erzielen, müsste zunächst einmal eine gesellschaftliche Diskussion entstehen, die von den Eliten dieses Landes aus Politik, Musik, Kunst & Kultur angeführt wird. Für die Eliten besteht aber bisher wenig Notwendigkeit, sich mit der Problematik auseinanderzusetzen, da vonseiten der Industrie kein Druck kommt. Nach wie vor profitieren die großen Labels und die Verwertungsgesellschaften von der aktuellen Rechtslage. Den freien Künstlern und kleinen Labels hingegen fehlt es schlichtweg an der Lobby. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass die Stimme der jungen Generation, der Digital Natives, immer lauter werden wird. Diese Generation wird in die verantwortungsvollen Positionen hineinwachsen und dann etwas verändern.
 
Welche Rolle spielen Mashups in der Diskussion?
 
Mashups sind als transformative Werke zum einen ein Beispiel dafür, weshalb man eine Neudefinition von geistigem Eigentum braucht und zum anderen stellen sie eine Provokation an das bestehende System dar. Der Erfolg und das rasante Wachstum der Mashup-Bewegung zeigen, dass der Versuch der Musikindustrie, das Internet zu überwachen, auf Dauer wenig Erfolg hat. Mit unserer Musik wollen wir viele Leute erreichen und auf die schwierige Rechtslage aufmerksam machen.
 
Mit welchen Modellen könnte man der rechtlichen Schieflage Abhilfe schaffen?
 
Ich bin seit Jahren ein großer Befürworter der Kulturflatrate. Die Kulturflatrate sieht eine staatlich geregelte Pauschalabgabe vor, die je nach Konsum der digitalen Inhalte anteilig an die Rechteinhaber verteilt wird. Nicht die Rechteverwerter und ihre Abmahnindustrie, sondern die Künstler selbst würden für ihre Werke belohnt und entsprechend entlohnt werden. Dennoch glaube ich, dass es in absehbarer Zeit keine politische Mehrheit für eine Kulturflatrate und den damit verbundenen Systemwechsel geben wird. Deswegen bin ich dafür, zunächst den Konsum von urheberrechtlich geschütztem Material zu entkriminalisieren. Es kann nicht sein, dass dutzende Anwaltskanzleien nur davon leben, Teenager und ihre Eltern wegen des Downloads eines Songs abzumahnen. Genau diese Teenager erzählen ihren Freunden von den Songs und gehen auf die Konzerte ihrer Lieblingskünstler. Somit bekämpft die Musikindustrie ihre eigene Zielgruppe anstatt auf ihre Interessen einzugehen und verringert damit ihre zukünftigen Marktchancen.
 
Wo genau liegen die Schwierigkeiten einer Kulturflatrate?
 
Einer der größten Kritikpunkte an der Kulturflatrate, ist die Frage nach den Auswahlkriterien für einen Verteilungsschlüssel, nach dem die Urheber zukünftig entlohnt würden. Man müsste sicherstellen, dass dieser Schlüssel wirklich repräsentativ ist und zudem in staatlicher Kontrolle liegt. Gleichzeitig wird genau an dieser staatlichen Kontrolle auch Kritik geübt. Es gibt jedenfalls schon einige Modelle für die Kulturflatrate, aber keines von ihnen ließe sich derzeit rechtssicher einführen. Zudem würde eine nationale Einführung wenig Sinn machen. Das Internet hat die nationalen Grenzen auch beim Thema Urheberrecht aufgelöst. Eine Lösung ist nur auf europäischer, wenn nicht sogar globaler Ebene zu erzielen.
 
Ein Fazit bitte: Wo wird die Reise der Musikwirtschaft hingehen?
 
Wie die Mashup-Bewegung werden innerhalb des Musikgeschäfts immer mehr Strömungen entstehen, welche die öffentliche Debatte anheizen werden. Je größer die Bewegung von unten wird, desto unausweichlicher wird das radikale Umdenken auf gesetzlicher Ebene. Spätestens wenn der Download ausstirbt und der Trend weiterhin in Richtung Streaming geht, wird sich auch die Industrie dem Thema nicht mehr entziehen können, zumindest, wenn sie plant, an den Gewinnen beteiligt zu sein. Schon jetzt gibt es mit Napster oder Soundcloud Modelle, die den Interessen der Nutzer entgegen kommen und an denen auch die Künstler gut verdienen. In einem mehrstufigen Prozess werden wir dann auf lange Frist zu einer ausgereiften Lösung für die Kulturflatrate kommen. Bis das soweit ist, werde ich mit meiner Musik weiterhin für eine offene Diskussion des Urheberrechts kämpfen und vorführen, dass es viele Wege gibt, mit Kunst erfolgreich zu sein.

Rebecca Randak